Amazon hat in den letzten Wochen eine deutliche Verringerung seiner Sichtbarkeit in den organischen Suchergebnissen von Google erlebt. Neue Analysen deuten darauf hin, dass das Zusammenspiel verschiedener Änderungen seitens Amazon selbst, kombiniert mit den Mechanismen von Google, entscheidend war. Für dich als Beobachter*in der digitalen Märkte ist dieses Ereignis höchst spannend, da es zeigt, wie stark selbst Giganten wie Amazon von SEO-Strukturen und Suchmaschinen-Algorithmen abhängig sind.
Was ist passiert?
Zwei zentrale Schritte führte Amazon durch: Einerseits beendete das Unternehmen seine bezahlten Shopping-Anzeigen in der Google-Suche, andererseits konsolidierte es seine drei Markenauftritte (Amazon, Amazon.com sowie Amazon.com – Seller) zu einer einheitlichen Bezeichnung: „Amazon“. Diese scheinbar kleine Vereinfachung löste umfangreiche Veränderungen aus, die durch das Analyse-Tool Audience Key erfasst wurden.
Audience Key ist eine Plattform, die systematisch Googles Produkt-Grid-Resultate aufzeichnet. Damit lässt sich sichtbar machen, welche Shops wie häufig mit organischen Produktkarten vertreten sind. Und genau hier begann Amazons Präsenz spürbar zu wanken.
Der erste Einbruch
Vor Ende Juli zählte Audience Key knapp 429.000 Produktkarten mit Amazon-Bezug. Nach der Umstellung waren es nur noch rund 295.000. Das entspricht einem Rückgang von etwa 31 %. Damit verlor Amazon auf einen Schlag mehr als ein Drittel seiner vorherigen Sichtbarkeit in diesem speziellen Segment. Allein diese Dimension hätte für die Konkurrenz schon große Chancen eröffnet – doch es sollte noch weitergehen.
Kompletter Rückzug aus organischen Produktkarten
Wenige Wochen später verschärfte sich die Situation drastisch: Amazon verschwand gänzlich aus Googles organischen Shopping-Kacheln. Beobachtungen zeigen, dass selbst bei eindeutigen Suchanfragen, bei denen Amazon früher dominierte, nichts mehr übrig blieb. Das führte zu einem Paradigmenwechsel in den Suchergebnisseiten (SERPs) für riesige Keyword-Bereiche. Auf einmal entstand Platz für Wettbewerber, die ihre eigene Sichtbarkeit in Bereichen steigern konnten, in denen Amazon lange unangefochten war.
Auswirkungen auf einzelne Kategorien
Der Rückgang war nicht gleichmäßig verteilt, vielmehr zeigten unterschiedliche Kategorien unterschiedliche Belastungen:
Mode am stärksten betroffen
Besonders gravierend war der Einbruch in der Kategorie Bekleidung. Hier reduzierte sich Amazons Präsenz um über 50 %.
- 4.571 → 1.804 (-60%)
- 4.503 → 1.859 (-59%)
- 31.852 → 13.632 (-57%)
- 6.932 → 3.029 (-56%)
Weitere betroffene Kategorien
Neben Apparel waren auch andere Schlüsselmärkte wie Home Goods, Laptops und Outdoor-Möbel massiv zurückgegangen:
- Home Goods: 133.717 → 73.833 (-45%)
- Laptop Computer: 30.520 → 19.615 (-36%)
- Outdoor-Möbel: 58.416 → 41.995 (-28%)
- Business Supplies: 12.510 → 9.786 (-22%)
- Technologie-Produkte: 58.880 → 50.666 (-14%)
Auffällige Verluste auch bei kleineren Nischen
Selbst kleinere Segmente wie Reifendienste oder Innendekoration zeigten Rückgänge, auch wenn diese prozentual etwas moderater ausfielen:
- Tires: 3.063 → 2.609 (-15%)
- Indoor Decor: 23.634 → 19.789 (-16%)
- Strukturen: 6.241 → 4.229 (-32%)
Die Rolle der Store-Konsolidierung
Vor dem 25. Juli trat Amazon mit drei unterschiedlichen Store-Namen auf. Diese Vielstimmigkeit ging in einer einzigen Identität „Amazon“ auf. Während diese Vereinfachung möglicherweise strategisch sinnvoll erschien, reduzierte sich die Summe der angezeigten Produktkarten drastisch. Die Vielfalt hatte dem Unternehmen wohl zuvor zusätzliche Listings verschafft, die nun entfielen.
Strategische Vermutungen
Warum hat Amazon diese schwerwiegenden Effekte in Kauf genommen? Es gibt derzeit nur Spekulationen:
- Vielleicht will Amazon bewusst sein Produkt-Feed aus Google zurückziehen, um Nutzer stärker in das eigene Ökosystem zu zwingen.
- Es könnte sich um technische Probleme handeln, die durch die Umstrukturierung des Merchant-Feeds ausgelöst wurden.
- Ebenfalls möglich ist eine Strategieänderung in der Zusammenarbeit mit Google, bei der Amazon bewusst auf Direkt-Inventar in Googles SERPs verzichtet.
Folgen für den E-Commerce-Markt
Für dich als Konsument*in oder Händler bedeutet diese Entwicklung eine dramatische Verschiebung: Wo zuvor Amazon omnipräsent war, haben jetzt andere Anbieter die Möglichkeit, sichtbarer zu werden. Große Einzelhändler, spezialisierte Shops und kleinere Marken können ihre Reichweite über Google massiv erhöhen, solange die Lücke besteht.
Für den Wettbewerb ist dies also ein unerwartetes Geschenk. Doch zugleich bleibt die Unsicherheit: Wird Amazon bald zurückkehren? Oder hat der Konzern eine längerfristige Abkehr von Googles Produkt-Grid beschlossen?
Fazit
Die Situation zeigt eindrucksvoll, dass selbst die mächtigsten Online-Händler nicht unabhängig von den Mechanismen der Suchmaschinen funktionieren können. Googles Oberflächen, Sortierungen und sichtbare Flächen dominieren weiterhin den Zugang von Millionen Nutzer*innen zu Produkten. Amazon scheint aktuell den Preis für weitreichende Veränderungen in seiner Präsentation zu zahlen. Ob dies ein kurzfristiges technisches Problem oder eine langfristige Strategie ist, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Für den Moment bedeutet es jedenfalls: Ein Teil der digitalen Bühne ist frei geworden, und Konkurrenten nutzen ihre Chance.