Wenn du dir die aktuellen Diskussionen rund um KI und Suchmaschinenoptimierung anschaust, dann könnte man fast den Eindruck gewinnen, dass plötzlich alles neu ist. Sprachmodelle, Chatbots, „AI Search“ – auf den ersten Blick wirkt es, als würde eine ganze Branche auf den Kopf gestellt. Aber wenn du ein bisschen tiefer gräbst, dann merkst du schnell: So radikal anders ist es gar nicht. Menschen suchen immer noch so, wie sie es schon seit Jahren tun. Sie haben Fragen, sie wollen Antworten, sie vergleichen, sie klicken. Die eigentlichen Muster im Verhalten ändern sich kaum. Genau diesen Punkt hat Ray Grieselhuber, Gründer einer SEO-Plattform, in einem Gespräch herausgestellt – und ich muss gestehen, vieles davon klingt fast schon wie eine Erinnerung an Dinge, die wir eigentlich nie hätten vergessen dürfen.
Alles fängt beim Menschen an
Ray beschreibt sehr klar, dass wir uns in der SEO-Welt gerne in Extreme stürzen: Entweder eine Sache sei „tot“ oder sie sei „die Zukunft“. Dieses Muster sieht man praktisch bei jeder Algorithmus-Änderung von Google. Und jetzt bei den großen Sprachmodellen wieder. Entweder soll SEO ein Auslaufmodell sein, oder es wird komplett ersetzt durch „Prompt Engineering“. Doch wenn man sich ehrlich fragt, worum es am Ende eigentlich geht, dann ist die Antwort relativ simpel: Menschen suchen – und sie werden es auch in zehn Jahren noch tun.
Diese Grundkonstante, menschliche Suchintention, ist entscheidend. Sie treibt die ganze Maschine an, egal ob das Ergebnis von einer klassischen Liste an Links oder von einer KI-Zusammenfassung kommt. Aus meiner Sicht ist das fast schon beruhigend, weil es uns die Grundlage gibt, klarer zu arbeiten: Wir müssen nicht den Modellen gefallen, sondern den Menschen. Und manchmal bedeutet das eben, sich von Hypes nicht zu sehr ablenken zu lassen.
Der wahre Schatz: Daten und Indexe
Ein besonders interessanter Gedanke, den Ray aufgebracht hat, betrifft den Wert der Grunddaten. LLMs haben beeindruckende Fähigkeiten. Sie können Texte generieren, kontextbezogen antworten, ganze Erzählstrukturen erschaffen. Aber sie arbeiten innerhalb der Grenzen dessen, was in ihren Trainingsdaten steckt. Und diese sind begrenzt – sowohl zeitlich als auch inhaltlich. Wenn also jemand auf aktuelle, verlässliche Daten angewiesen ist, dann braucht es nach wie vor einen Index, der ständig gepflegt und erweitert wird. Und genau da kommt Google ins Spiel. Mit seiner gigantischen Datenbasis ist es praktisch unverzichtbar für zuverlässige Suchergebnisse – auch für KI-Systeme.
Ray hat in einer Analyse zum Beispiel gezeigt, dass ChatGPTs Antworten sehr stark mit Googles Ergebnissen überlappen, viel stärker als mit Bings. Das ist kein Zufall. Es zeigt, dass selbst modernste KI ohne ein solides Fundament an aktuellen, indexierten Daten nur begrenzt handlungsfähig ist. Für mich heißt das: Wer SEO betreibt, sollte nicht in Modellen denken, sondern in Datenflüssen. Die Frage ist, ob deine Inhalte so strukturiert und eingebunden sind, dass sie überhaupt eine Chance haben, in diesen Datenpools aufzutauchen. Modelle verändern sich, aber Daten bleiben das Gold.
Ein kleiner Exkurs: Schema und Struktur
Manchmal habe ich das Gefühl, dass viele SEOs strukturierte Daten wie Schema-Markups entweder überschätzen oder unterschätzen. Ray hat hier eine sehr nüchterne Sicht: Schema ist kein Garant für bessere Ergebnisse, aber es wirkt wie ein Hinweis. Google nutzt es, um das große Ganze effizienter zu interpretieren. Und am Ende nützt es nicht nur Google, sondern auch dem Nutzer, weil Information leichter auffindbar und besser interpretierbar ist.
Der Clou dabei ist, dass Google damit die gesamte Weblandschaft quasi „trainiert“ hat, semantisch klarer zu schreiben. Ein geschickter Schachzug, weil dadurch nicht Google selbst alles mühsam interpretieren muss, sondern die Webmaster das für sie mit erledigen. Das ist für mich fast schon ein Beweis dafür, dass SEO immer auch eine Art Co-Engineering mit Google ist – man hilft dem System, besser zu werden, und profitiert gleichzeitig davon.
AI Search oder traditionell? Am Ende egal
Ich fand besonders spannend, wie Ray den Begriff „AI Search“ einordnet. Seine klare Meinung: Es gibt eigentlich keinen scharfen Unterschied mehr. Google hat KI schon vor über zehn Jahren in seine Suche integriert. Was wir gerade erleben, ist nur der offensichtlichere Teil – Interfaces ändern sich, Nutzer bekommen statt zehn blauer Links häufiger gleich eine Zusammenfassung. Aber das Prinzip? Menschen tippen eine Frage ein, erwarten eine sinnvolle Antwort. Punkt.
Das heißt im Umkehrschluss: Wir sollten uns nicht zu sehr darauf fixieren, ob etwas nun „klassische Suche“ oder „KI-Suche“ ist. Es ist schlicht alles KI-gestützt. Und solange du im Blick behältst, worauf deine Nutzer eigentlich hinauswollen, kannst du mit beiden Formaten arbeiten. Für mich war das fast schon eine Erleichterung. All die hitzigen Diskussionen in Foren oder auf Konferenzen, was jetzt wie heißt – am Ende kannst du sie ignorieren, solange du weißt, dass Menschen am anderen Ende sitzen, die nach etwas Bestimmtem suchen.
Der Dreh- und Angelpunkt: Aufmerksamkeit
Wenn man den ganzen Diskurs einmal auf den kleinsten gemeinsamen Nenner reduziert, dann geht es immer darum: Wie gelingt es dir, die Aufmerksamkeit der Menschen auf dich zu ziehen? SEO ist kein technisches Puzzle allein, sondern eine Marketingdisziplin. Und wenn man es so betrachtet, ist der Schritt in die KI-Welt eigentlich nur ein weiterer Wechsel des Interfaces. Früher hast du für die erste Position in den klassischen SERPs gekämpft, jetzt denkst du darüber nach, wie du es in ein KI-Snippet schaffst. Aber: Die Logik bleibt dieselbe. Menschen suchen, du musst gefunden werden.
Das bedeutet auch, dass man sich als SEO stärker als Marketer verstehen muss. Text allein reicht nicht. Es geht um die Experience, um Lesbarkeit, um den Kontext. Ich glaube sogar, dass dieser Wandel die Branche langfristig stärken wird, weil er verhindert, dass man in reiner Taktik-Denke hängenbleibt. Stattdessen zwingt er uns dazu, strategischer, kreativer und nutzerzentrierter zu denken.
Experimentieren, statt studieren
Ein praktischer Punkt, den Ray angesprochen hat, war die Wichtigkeit eigener Daten. Es bringt dir als Airline nichts, wenn du dich mit Studien über den Online-Hundefutter-Markt beschäftigst. Klingt banal, ist es aber nicht. Viele in der Branche stützen ihre Maßnahmen auf allgemeine Reports, anstatt selbst zu testen, wie ihre Kunden wirklich suchen und klicken. Genau das, sagt Ray, wird aber entscheidend sein. Teste an deinem eigenen Markt, mach kleine Experimente, lerne aus Feedback.
Ich kann das nur unterstreichen. In Projekten habe ich immer wieder erlebt, dass selbst minimal angepasste Landingpages, kleine Variationen in der Sprache oder eine klarere Struktur der Produktinformationen gigantische Unterschiede machen können. Dinge, die keine generelle Studie abbildet – weil sie nur in deinem spezifischen Markt Realität sind.
Ein Fazit mit offenem Ende
Wenn ich aus dem Gespräch einen roten Faden mitnehme, dann ist es: Mach dich frei von Begriffen, Trends und vorgefertigten Narrativen. SEO ist, war und bleibt eine Disziplin, die tief im menschlichen Verhalten verwurzelt ist. Menschen fragen, Systeme liefern, Marketer gestalten den Brückenschlag. Ob über Links, über Voice Search, über generative KI oder eines Tages vielleicht über ganz andere Interfaces – der Kern bleibt gleich.
Ich würde sogar so weit gehen zu sagen: Die Branche hat jetzt die Chance, ein Stück weit erwachsen zu werden. Weg von Tricks und Shortcuts, hin zu echtem Verständnis für den Nutzer. Ja, KI wird uns begleiten, vielleicht auch die Art der Interfaces stetig verändern. Aber solange du den Menschen im Zentrum deines Tuns behältst, wirst du auch die richtigen Spielarten finden.
Und vielleicht ist genau das die beruhigendste Erkenntnis: In einer Welt, die sich technologisch rasant verändert, bleibt etwas Beständiges – die Art, wie wir Menschen nach Orientierung, Wissen und Lösungen suchen.