Es gibt Momente, in denen man beim Lesen von Texten direkt fühlt: das klingt irgendwie „unnatürlich“. Genau darum geht es – der Takt von KI-Texten. Ich habe in den letzten Monaten selbst immer wieder beobachtet: es ist nicht die Grammatik, die verrät, dass eine Maschine am Werk war. Es sind Rhythmus, Pausen, die scheinbare Dramatik. Und genau dieser Schreibstil kann Leser ermüden und Vertrauen zerstören.
Wenn jede Zeile wie ein Cliffhanger wirkt
Du kennst es wahrscheinlich: ein Text, der so aufgebaut ist, als wäre er ein Filmtrailer. Kurze Sätze. Einzeilige Absätze. Jeder Eindruck wird wie ein Weltuntergangsszenario behandelt. Anfangs wirkt es spannend. Aber nach zehn Absätzen wünschst du dir einfach nur einen normalen Gesprächston. Genau hier zeigt sich das Problem.
Der Ursprung liegt in den Daten, auf denen KI-Modelle trainiert wurden. Sie haben Unmengen an Mitschriften von Reden, Interviews, Podcasts und News-Sendungen verschlungen. Alles gesprochener Text, nur ins Schriftliche übertragen. Aber gesprochene Sprache funktioniert anders: da sind Pausen, Betonungen, Wiederholungen Teil der Überzeugungskraft. Überträgst du das eins zu eins ins Schreiben, entsteht eine Art Singsang – und genau den spüren wir heute in KI-Texten.
Warum KI so klingt, wie sie klingt
Ich erinnere mich gut an meine erste Erfahrung mit einem großen Sprachmodell: egal wie ich es anleitete, es rutschte immer wieder zurück in diesen „Motivationsrede“-Tonfall. Man merkt, dass Transkripte aus Talkshows und Reden dominieren. Spracherkennungssysteme haben Millionen Stunden solcher Quellen transkribiert. Die waren leicht verfügbar, billig zu sammeln – im Gegensatz zu sorgfältig redigierter Prosa aus Büchern oder Magazinen, die teuer und oft urheberrechtlich geschützt ist.
Das Ergebnis: Modelle lernen vor allem die Strukturen von gesprochenem Wort. Phrasen, die mit „Und…“ oder „Aber…“ anfangen. Sätze, die nicht enden, sondern zerfallen. Übertriebener Gebrauch von Gedankenstrichen, die in Transkripten Pausen markieren sollten. All das sickert nun in Blogposts, Artikeln und sogar Unternehmenswebseiten ein – und das nervt.
Die Sache mit den Gedankenstrichen
Seit KI populär wurde, beobachte ich eine wahre Flut an Gedankenstrichen. An sich ein schönes Stilmittel – wenn es sparsam eingesetzt wird. Aber wenn jede dritte Pause als Strich markiert ist, wirkt es, als würde jemand beim Sprechen ständig Luft holen müssen. Professionelle Texte verlieren dadurch ihre Ruhe, sie fangen an zu stolpern.
Wie Leser darauf reagieren
Am Anfang fällt es nicht jedem auf. Das kurze, rhythmische wirkt frisch. Viele scannen nur quer über Absätze und bleiben hängen, weil jeder Satz wie ein Appell daherkommt. Aber bei längeren Artikeln passiert das Gegenteil: man fühlt sich manipuliert.
Wenn jede Aussage als Sensation auftritt, dann verliert am Ende alles an Gewicht. Wie in einem Raum, in dem jeder schreit – irgendwann hörst du gar nicht mehr hin. Leser spüren instinktiv: „Hier steckt viel Form und wenig Substanz drin.“ Und auf Dauer wirkt das so unglaubwürdig wie billige Verkaufsmasche. Genau das meint man mit dem Vergleich zu „Infomercials“ – es liest sich nach Werbung statt nach Information.
Ein Beispiel: zwei Varianten des gleichen Absatzes
KI-Stil:
„Die Algorithmen änderten sich.
Der Traffic brach ein.
Panik machte sich breit.
Und SEO? Wieder tot. Schon wieder.“
Gleiche Idee in normalem Schreibhfluss:
„Mit der Algorithmus-Änderung brachen viele Seiten im Traffic ein. Die Panik ließ nicht lange auf sich warten, und binnen Tagen titelte man erneut: SEO sei tot. Ein Zyklus, der sich seit Jahren regelmäßig wiederholt – und jedes Mal widerlegt wird.“
Merkst du den Unterschied? Der zweite Absatz ist nicht reißerisch, sondern solide erklärt. Er respektiert deine Intelligenz als Leser.
Wie man den KI-Rhythmus erkennt
Nach einer Weile kannst du blind tippen, ob ein Abschnitt „KI-geschrieben“ klingt. Typische Signale:
- Einzeilige, kurze Absätze am Fließband
- Übertriebene rhetorische Fragen („Aber weißt du was?“)
- Fragment-Sätze, die sich wichtig tun
- Ein Predigt-artiger Tonfall, der auf Applaus wartet
Im Prinzip erkennst du es wie eine eingespielte Lachspur in Sitcoms: man merkt sofort, dass hier jemand künstlich Stimmung erzeugen will.
Zurück zu menschlichem Schreiben
Wie kriegst du das raus? Meiner Erfahrung nach hilft ein bewusster Gegenentwurf:
- Variiere Satzlängen. Nicht nur kurz und knackig, sondern auch mal ausgeschmückt.
- Nutze rhetorische Mittel gezielt. Fragezeichen sind wirkungsvoll, aber bitte nicht inflationär.
- Fasse Gedanken zusammen. Mehrere Einzelsätze zu einem Absatz geben Lesefluss.
- Bleib bei Klarheit statt Drama. Daten und Gedankenstränge sind spannender als permanente Trommelwirbel.
Im Grunde geht es darum, Wieder Luft in den Text zu lassen. Leser sind keine Kinder, die nach jedem Satz eine Pause brauchen. Sie können sehr wohl komplexere Absätze verdauen.
Warum das für Marketing und SEO wichtig ist
Viele Unternehmen nutzen inzwischen KI für Content-Produktion. Das ist verständlich. Aber gerade weil der Markt überflutet wird, erkennst du sofort die austauschbaren Texte. Es entsteht ein Problem für Glaubwürdigkeit.
Für dich als Marketer heißt das: du musst auf zwei Ebenen editieren. Fakten prüfen – ja. Aber auch die Stimme justieren. Dein Stil ist das eigentliche Alleinstellungsmerkmal. Wer blindlings KI-Rhythmus durchwinkt, publiziert am Ende seelenlose Broschüren, die keiner ernst nimmt.
Wann der KI-Stil funktionieren darf
Ganz verteufeln sollte man die stakkatoartigen Formulierungen nicht. Es gibt durchaus Einsatzgebiete:
- Werbeanzeigen mit knappen Zeichenlimit
- Video-Scripte, wo der Rhythmus Aufmerksamkeit zieht
- Knappe Social-Media-Posts, die gescannt werden
Dort macht es Sinn. Aber für Fachartikel, Whitepaper oder Blogs ist dieses permanente Drama ein Killer. Leser suchen dort Vertrauen, keine Endlosschleife aus Cliffhangern.
Mein persönliches Fazit
Der eigentliche Graben verläuft nicht zwischen Mensch und Maschine. Er verläuft zwischen oberflächlich und intentionell. Texte, die zielgerichtet, klar und respektvoll geschrieben sind, bleiben bestehen. Alles andere wird im Rauschen untergehen.
Wenn du also künftig mit KI arbeitest, nimm dir die Zeit: prüfe nicht nur Fakten, sondern auch Takt. Schreib so, dass du selbst gern lesen würdest, ohne innerlich „oh nein, nicht schon wieder“ zu seufzen. Denn Respekt gegenüber deinem Leser ist vielleicht das wichtigste SEO-Signal überhaupt.