Rechtsstreit um WP Engine deckt veraltete SEO Mythen auf

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Automattic, das Unternehmen hinter WordPress, beschäftigt derzeit nicht nur die Entwickler-Community, sondern auch Juristen und SEO-Fachleute. Der Grund ist eine rechtliche Auseinandersetzung mit dem Hosting-Anbieter WP Engine, die sich auf Markenrechte, SEO-Strategien und die Grenzen legitimen Marketings konzentriert. Was auf den ersten Blick wie ein typischer Markenrechtsstreit wirkt, offenbart bei genauerem Hinsehen viel über das Verständnis – oder Missverständnis – von Suchmaschinenoptimierung.

Ein ungewöhnlicher Streit um Rankings und Keywords

Automattic wirft WP Engine vor, gezielt Suchmaschinenoptimierung eingesetzt zu haben, um mit Begriffen wie „WordPress“ und „WooCommerce“ in den Suchergebnissen zu dominieren. Laut der Klageschrift soll WP Engine „die Zahl der Erwähnungen von WordPress auf seinen Webseiten stark erhöht haben, um durch Suchmaschinen besser gefunden zu werden.“

Das bedeutet: Automattic legt dem Konkurrenten zur Last, Handelsmarken im Rahmen einer SEO-Strategie zu nutzen – und dabei Nutzer gezielt zu verwirren, indem sie dachten, WP Engine sei ein offizieller Partner oder Teil des WordPress-Projekts.

Klingt zunächst plausibel. Doch Automattic geht einen Schritt weiter und behauptet, Suchmaschinen würden Seiten höher bewerten, je öfter ein bestimmtes Wort (z. B. „WordPress“) darin vorkommt. Genau hier beginnen die fachlichen Zweifel – denn diese Aussage stammt gefühlt aus dem SEO-Lehrbuch der 2000er-Jahre.

Wo Automattic irrt: Keyword-Dichte ist längst kein Rankingfaktor mehr

Wer sich ein wenig mit moderner SEO beschäftigt, weiß: Google bewertet Seiten nicht anhand simpler Wortwiederholungen. Schon seit Jahren analysieren Suchalgorithmen Inhalte semantisch, erkennen Zusammenhänge und bewerten Relevanz auf Basis der Nutzerintention, nicht der reinen Keyword-Häufigkeit.

Suchmaschinenmodelle wie BERT oder RankBrain verstehen heute, dass jemand, der nach „beste WordPress-Hosting-Anbieter“ sucht, auch Ergebnisse sehen möchte, die vielleicht gar nicht exakt diesen Ausdruck enthalten, sondern z. B. „Managed Blog-Plattformen für WordPress“ oder „Hosting für CMS-Websites“.

Automattics Behauptung, eine Seite ranke besser, nur weil ein Wort häufiger vorkommt, ist also – höflich gesagt – veraltet.

Ich erinnere mich noch, wie um die Jahrtausendwende Webseiten mit weißem Text auf weißem Hintergrund gefüllt waren – hunderte Male das gleiche Keyword, nur um Google zu täuschen. Diese Ära ist vorbei. Suchmaschinen sind längst intelligenter, und Keyword-Spamming führt heute eher zu schlechteren Rankings.

Was Google selbst sagt

Wer auf die Dokumentation von Google blickt, findet klare Hinweise. Dort heißt es, die Suchmaschine wolle die Absicht des Nutzers verstehen – nicht einzelne Wörter zählen. Synonyme, Rechtschreibvarianten, Kontexte – alles wird berücksichtigt, um qualitativ passende Ergebnisse zu liefern.

Mit anderen Worten: Der alte Gedanke „je häufiger das Keyword, desto besser das Ranking“ hat ausgedient. Dass Automattic aber juristisch auf dieser Vorstellung argumentiert, zeigt, wie unterschiedlich selbst große Unternehmen SEO noch interpretieren.

Die Beweislage: Diagramme, Zahlen und – fragwürdige Vergleiche

In der Klageschrift führt Automattic angeblich ein Diagramm an, das zeigt, wie oft verschiedene Hosting-Anbieter den Begriff „WordPress“ monatlich nennen. Der Vergleich: WP Engine steht weit über allen anderen.

Doch schaut man genauer hin, ist diese Statistik problematisch. Viele der verglichenen Anbieter – darunter GoDaddy, Namecheap oder Liquidweb – bieten zwar auch „WordPress-Hosting“, sind aber primär allgemeine Hosting-Unternehmen mit zig anderen Produkten. Entsprechend taucht „WordPress“ dort viel seltener auf, weil auch über Domains, Cloud oder Emails geschrieben wird.

WP Engine hingegen ist ein reiner Anbieter für Managed WordPress Hosting. Das heißt, es wäre fast merkwürdig, wenn der Begriff nicht ständig auf deren Seiten vorkäme. Das Diagramm ist somit kein objektiver Beweis für Übertreibung, sondern eher ein Zeichen, dass Äpfel mit Birnen verglichen werden.

Ein fairer Vergleich

Nimmt man nur echte Mitbewerber aus demselben Marktsegment – also spezialisierte WordPress-Hoster wie Kinsta, Rocket.net oder Pagely – ergibt sich ein komplett anderes Bild.

Ein Vergleich ihrer Top-Seiten für „Managed WordPress Hosting“ zeigt:

  • Rocket.net erwähnt „WordPress“ 21-mal
  • WP Engine: 27-mal
  • Kinsta: 55-mal

Plötzlich steht WP Engine ganz normal da – weder übermäßig aggressiv noch auffällig.

Schaut man weitere Nischenanbieter an, liegen viele sogar höher. InMotion Hosting beispielsweise nutzt das Wort über 100-mal auf seiner Seite.

Von einer SEO-Manipulation kann also kaum die Rede sein, vor allem, wenn man bedenkt, dass Automattic selbst auf WordPress.com den Begriff weitaus häufiger nutzt als WP Engine.

Was das über Automattic aussagt

Mich lässt das mit einem zwiespältigen Eindruck zurück. Einerseits ist nachvollziehbar, dass Automattic seine Marke schützen will – schließlich ist „WordPress“ ein bedeutender Name, und Missbrauch kann tatsächlich Nutzer verwirren. Andererseits mutet es seltsam an, dass sich ein Unternehmen, das die Webbranche prägt, in seiner Argumentation auf längst veraltete SEO-Mythen beruft.

Vielleicht zeugt das von einer gewissen juristischen Taktik: In rechtlichen Auseinandersetzungen wird oft vereinfacht argumentiert, um ein plausibles Bild für Laienrichter zu schaffen. SEO ist komplex, und wer kein Fachwissen besitzt, neigt schnell dazu zu glauben, häufige Keyword-Verwendung bedeute manipulatives Suchmaschinenmarketing.

Aber: Die Realität sieht anders aus. Google berücksichtigt nicht bloß „Wie oft steht das Wort WordPress da?“, sondern: „Worum geht es auf der Seite wirklich, und passt sie zur Suchabsicht des Nutzers?“

WP Engine profitiert also nicht unbedingt von seiner Wortwahl, sondern vermutlich von Domainautorität, technischer Struktur, Backlinks und Nutzerverhalten – also all jenen Signalen, die Google seit Jahren als Grundlage nutzt.

Wie stark ist das „Beweisdiagramm“ wirklich?

Wenn man die Analyse von Automattic nüchtern betrachtet, fällt schnell auf: Ihre Auswahl der Vergleichsunternehmen ist statistisch nicht sauber. Ein Großteil der aufgeführten Anbieter ist kein direkter Konkurrent. Wer Namecheap mit WP Engine vergleicht, misst die Erwähnungen von „WordPress“ auf einer Domain-Plattform mit denen eines spezialisierten CMS-Hostings – völlig unterschiedliche Inhalte, unterschiedliches Publikum, unterschiedliche Keyword-Frequenz.

Zudem verzerren auch interne Blogbeiträge, Dokumentationen und Supportseiten den Schnitt. Beispiel: Eine Plattform, die ausführliche Entwicklerdokumentation bietet, verwendet naturgemäß den Produktnamen häufiger, ohne dass dies eine gezielte „SEO-Taktik“ ist.

Darum ist die Schlussfolgerung, WP Engine betreibe Keyword-Spamming, nicht nur gewagt, sondern sachlich fragwürdig.

Ein praktischer Test

Nehmen wir als Test den Begriff „Managed WordPress Hosting“. Wer das bei Google eingibt, sieht WordPress.com selbst unter den Top-Ergebnissen – und das, obwohl diese Phrase auf deren eigener Seite gar nicht vorkommt. Das ist der beste Beweis dafür, dass Google längst anders arbeitet.

BERT und GPT-gestützte Modelle analysieren semantisch: Sie erkennen, dass WordPress.com Inhalte zu Hosting anbietet, auch wenn nicht exakt „Managed WordPress Hosting“ geschrieben steht. Der Algorithmus versteht die Beziehung, ähnlich wie ein Mensch.

Die eigentliche Frage: Was bedeutet das für uns?

Abgesehen vom juristischen Theater zeigt dieser Fall, wie stark sich das Verständnis von SEO zwischen Fachleuten und juristischen Teams unterscheidet.
Während SEOs längst an Nutzerintention, Entitäten und semantische Relevanz denken, argumentieren Anwälte noch mit Keyword-Dichte.

Für Unternehmen sollte das ein Weckruf sein: Wer rechtliche Risiken rund um SEO beurteilt, braucht Menschen, die aktuelle Suchmaschinenmechanismen verstehen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass falsche Annahmen – wie in diesem Fall – ganze Verfahren auf wackelige Beine stellen.

Mein persönlicher Eindruck

Aus vielen Jahren Erfahrung in der Optimierung kann ich nur sagen: Der Gedanke, man könne Google mit bloßem „häufigeren WordPress-Schreiben“ täuschen, wirkt fast nostalgisch.
Es erinnert an die frühen Tage der Suchmaschinen, als SEO mit Tricks funktionierte. Doch heute steht Qualität, Nutzwert und Technik im Vordergrund.

Und ehrlich gesagt: Wenn ein Konzern wie Automattic so argumentiert, wirkt das weniger wie ein Angriff auf WP Engine und mehr wie ein Beleg, dass selbst Marktführer sich manchmal in alten Paradigmen verfangen.

Fazit: Zwischen Markenrecht und Missverständnis

Letztlich geht es bei diesem Streit vermutlich gar nicht wirklich um SEO. Es geht um Markenmacht, um Kontrolle über das WordPress-Ökosystem und um Marktanteile. Automattic wirft WP Engine vor, durch markenbezogene Begriffe Traffic abzufangen – was aus juristischer Sicht nachvollziehbar ist. Doch die Art, wie sie das begründen, zeigt, dass das Unternehmen SEO stärker als juristische Waffe interpretiert und weniger als moderne Kommunikationsform, die auf Kontext und Mehrwert beruht.

< b>WP Engine hat das Wort „WordPress“ laut Analyse in 1,92 % seines Textes verwendet – ein Wert, der keineswegs ungewöhnlich oder spammig ist. Viele Konkurrenten liegen deutlich darüber.

Ob der Richter das erkennt, bleibt offen. Doch fachlich betrachtet dürfte Automattics Argumentation kaum Bestand haben.

Und vielleicht steckt darin der eigentliche Lerneffekt dieser Geschichte: SEO ist längst mehr als Keyword-Zählen – und wer das nicht erkannt hat, läuft Gefahr, sich selbst im Suchnebel der Vergangenheit zu verlieren.

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Tom Brigl, Dipl. Betrw.

Ich bin SEO-, E-Commerce- und Online-Marketing-Experte mit über 20 Jahren Erfahrung – direkt aus München.
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