In den letzten Jahren hat sich die Online-Sichtbarkeit dramatisch verändert. Früher sorgte gute Platzierung in Google für Markenbekanntheit und organisches Wachstum. Doch seit die großen KI-Systeme wie ChatGPT, Gemini, Perplexity oder Claude in die Informationssuche eingreifen, gelten plötzlich neue Spielregeln. Sichtbarkeit bedeutet nicht mehr nur, in den klassischen Suchergebnissen aufzutauchen – sondern auch in KI-generierten Antworten präsent zu sein. Und genau hier beginnt das Problem: Alte technische SEO-Altlasten können zur unsichtbaren Barriere werden, die deine Marke aus den neuen KI-Systemen heraushält.
Ich habe in den letzten Monaten viele Gespräche mit Marketingverantwortlichen geführt – und ehrlich gesagt, ich kenne das Gefühl, wenn man denkt: „Unsere Rankings sind stark, also ist alles gut.“ Doch genau diese Annahme ist gefährlich. Denn gute Rankings bei Google bedeuten längst nicht, dass KI-Crawler dein Angebot verstehen oder überhaupt erfassen.
Wenn Rankings täuschen: Warum deine AI-Sichtbarkeit auf wackligen Beinen steht
Viele Unternehmen gehen davon aus, dass ihre technische Basis in Ordnung ist, solange Google sie findet. Das mag eine Zeit lang stimmen, aber KI-Systeme arbeiten völlig anders. Sie crawlen Inhalte nicht wie klassische Suchmaschinen, sondern entnehmen Text, kontextualisieren Informationen, und lernen fortlaufend dazu. Dabei spielen technische Faktoren – besonders Ladezeit, Crawl-Beschränkungen oder Formatierung – eine überproportionale Rolle.
Ein Beispiel, das ich selbst analysiert habe, zeigt das deutlich: Zwei große Buchungsplattformen – Airbnb und Vrbo – erreichen beide starke Positionen in den organischen Suchergebnissen. Doch in KI-Antworten, etwa bei ChatGPT oder Perplexity, wird Airbnb überproportional häufig genannt, während Vrbo fast unsichtbar bleibt. Der Grund? Vermutlich technischer Natur: Struktur, API-Zugänglichkeit und Ladezeiten sind bei Airbnb deutlich stabiler. Während Google manche Schwächen durch seinen komplexen Algorithmus „ausgleicht“, sind KI-Crawler viel sensibler. Kleine technische Probleme werden dort zu einem echten Handicap.
Das, was du nicht siehst: Technische SEO-Schulden
Im Prinzip spricht man bei „Technical SEO Debt“ von einem ähnlichen Phänomen wie im Softwarebereich: über die Jahre häufen sich technische Abkürzungen, Kompromisse und Workarounds an. Du hast dein CMS angepasst, ein Plugin installiert, ein Script eingebunden – und alles funktioniert irgendwie. Nur eben nicht mehr perfekt. Diese unsichtbare Unordnung summiert sich und behindert Crawler, Indexierung und letztlich die Sichtbarkeit in KI-Systemen.
Was ich häufig beobachte, ist eine gefährliche Routine: Sobald etwas läuft, bleiben Altlasten unberührt. Änderungen am JavaScript, alte CSS-Pfade, Daten, die nicht mehr gebraucht werden – sie alle verlangsamen die Seite minimal. Und während Google das noch verkraftet, verursacht es bei KI-Crawlern Reibungsverluste. Diese Systeme müssen Millionen von Daten effizient verarbeiten und bevorzugen Ressourcen-schonende Sites. Wer zu viel Serverzeit schluckt, fliegt einfach raus.
Geschwindigkeit ist keine Option, sie ist Überlebensbedingung
Manchmal unterschätzt man, wie stark die Ladezeit sofort auf die KI-Wahrnehmung wirkt. Nicht nur Nutzer, sondern auch KI-Systeme sehen darin ein Signal: langsam gleich unzuverlässig. Während Google-Signale über Rankingfaktoren ausbalanciert werden, gewichten KI-Modelle die technische Zugänglichkeit direkter. Seiten, die zu lange laden oder Skripte nachladen müssen, bremsen bei der Datenextraktion massiv. Das ist, als ob du versuchst, einem Scanner eine Buchseite zu zeigen, die sich noch faltet – der Scanner bricht irgendwann ab.
Ich arbeite viel mit Core Web Vitals – Kennzahlen wie LCP (Largest Contentful Paint) und CLS (Cumulative Layout Shift). Ich habe festgestellt, dass Seiten mit besseren Werten deutlich häufiger in Googles AI Mode genannt werden. Diese AI Mode-Ergebnisse greifen technisch gesehen auf die bestehenden Suchdaten zurück, aber die Auswahl bevorzugt Leistungsfähigkeit. Wenn Ladezeiten schlecht sind, rutscht die Seite schlicht aus dem Funnel.
Ein weiteres Beispiel: Google’s PageSpeed Insights liefert zwar eine schöne Zahl, aber sie korreliert kaum mit tatsächlicher KI-Präsenz. Viel wichtiger ist, wie „glatt“ dein Inhalt für maschinelle Systeme lesbar ist. Also: klare semantische Struktur, kein überflüssiges Markup, saubere API-Auslieferung. Wenn dein Quellcode wie ein Spinnennetz aus dynamisch nachgeladenem JavaScript aussieht, kann der Crawler schlicht nicht ohne Fehler durch.
Was passiert, wenn es richtig teuer wird
Mit der Geschwindigkeit hängt noch etwas anderes zusammen – nämlich die Ressourcenkosten. Jeder Crawl durch ein Large Language Model, etwa von ChatGPT oder Claude, kostet Rechenzeit, Energie und Geld. OpenAI hat selbst angegeben, dass das tägliche Crawlen und Beantworten von Anfragen mehrere Gigawatt Leistung beansprucht – das entspricht der Energie von ganzen Kraftwerken.
Je ineffizienter deine Website ist, desto teurer ist sie für die KI zu crawlen. Und das wird sich mittelfristig rächen: Sobald die Anbieter stärker auf Kostenkontrolle achten, bevorzugen ihre Systeme performante, ressourcenschonende Websites. Es ist realistisch anzunehmen, dass langsame Websites schlicht seltener oder gar nicht mehr gecrawlt werden.
Die Konsequenz ist hart, aber logisch: KI wird sich den einfachsten Weg suchen – und der führt nicht über schwergängige Seiten. Wenn zwei Quellen denselben Inhalt liefern, gewinnt die schnellere. Das gilt nicht nur für klassische SEO, sondern in noch größerem Maße für die maschinelle Inhaltsverarbeitung.
Unsichtbar durch einen Mausklick
Neben Geschwindigkeit gibt es noch einen oft übersehenen Faktor: Infrastruktur. Vielleicht läuft deine Seite über Cloudflare oder ähnliche Dienste? Dann solltest du Folgendes wissen: Seit einiger Zeit blockiert Cloudflare standardmäßig bestimmte KI-Crawler. Millionen Seiten sind dadurch mit einem Schlag für Systeme wie ChatGPT oder Perplexity unsichtbar geworden – einfach, weil niemand die Standardeinstellungen überprüft hat.
Das klingt banal, aber ich habe Fälle gesehen, in denen Marketingleiter wochenlang versucht haben, ihre AI-Performance zu verstehen – und die Ursache lag schlicht an einer „Block-Policy“. Wenn du also auf einer großen Infrastrukturplattform bist, schau dir genau an, welche Bots zugelassen sind. Das betrifft auch Firewalls, Security-Plugins oder selbst erstellte Robots.txt-Dateien. Eine unbedachte Zeile kann dich aus der KI-Welt katapultieren.
Das Verantwortlichkeitsvakuum: Wer kümmert sich eigentlich?
Vielleicht fragst du dich jetzt, wer das alles managen soll. Genau hier liegt der Knackpunkt: Viele Unternehmen haben kein klares System dafür, wer technische SEO überwacht – geschweige denn, wer über KI-Sichtbarkeit wacht. Der CMO denkt, es sei Sache der Developer. Die Developer glauben, das SEO-Team kümmert sich. Das SEO-Team wiederum fühlt sich auf Strategie fokussiert. Und am Ende ist niemand wirklich verantwortlich.
Ich erinnere mich an eine Organisation, in der das gesamte technische Monitoring in der Verantwortung externer Agenturen lag. Diese Agentur war hervorragend, aber sie hatte im Vertrag keinen Passus zu KI-Crawl-Analysen. Als ChatGPT sichtbare Suchanfragen für die Marke plötzlich ignorierte, war niemand vorbereitet. Ein klassischer Fall von organisatorischer Annahme: „Irgendwer wird das schon machen.“
Ich bin überzeugt: Langfristig brauchen Unternehmen einen kombinierten Ansatz aus technischem SEO, Infrastruktur-Monitoring und KI-Sichtbarkeitsmanagement. Das darf nicht mehr additiv gedacht werden – es muss integriert werden. Sobald man die Verantwortlichkeiten an Schnittpunkten klar definiert, verschwinden viele dieser blinden Flecken von selbst.
Wie du Annahmen in Ergebnisse verwandelst
Wenn du dieses Problem wirklich anpacken willst, fang heute an mit drei grundlegenden Schritten:
- Technischen Audit durchführen
Nicht nur für SEO, sondern explizit für KI-Crawl-Fähigkeit. Prüfe robots.txt, Header, Blocklisten und deine Hosting-Infrastruktur. Simuliere Abrufe durch verschiedene Bots (ChatGPT, Perplexity, Gemini) und sieh, was sie tatsächlich erreichen können. - Ladezeiten kompromisslos verbessern
Teste nicht nur in Tools, sondern beobachte echte Trace-Daten unter Last. Entferne alte Skripte, komprimiere Bilder, minimiere Render-Blocking-Resources. Wenn du Core Web Vitals verbesserst, verbessert sich automatisch deine KI-Lesbarkeit. - Verantwortlichkeiten klären
Definiere, wer technische Änderungen überwacht, wer Policies von Drittanbietern prüft und wer KI-Auswertungen interpretiert. Kommunikation ist alles. Ohne klare Zuständigkeit häuft sich wieder Schuldenberg nach Schuldenberg an.
Warum du jetzt handeln musst
Das größte Risiko entsteht nicht durch Unwissen, sondern durch Zuversicht ohne Kontrolle. Wenn du glaubst, es sei alles gut, weil keine Fehler gemeldet werden, übersiehst du wahrscheinlich die unsichtbare Erosion deiner digitalen Basis. Wie beim Termitenbefall bleibt das Haus von außen glänzend, während innen die Struktur zerfällt. Erst wenn Druck kommt – etwa durch neue Plattformen oder Umsatzrückgänge – fällt alles auf einmal in sich zusammen.
Ich habe zu oft erlebt, dass Teams erst reagieren, wenn der Sichtbarkeitsverlust schon da ist. Die Reparatur kostet dann erheblich mehr Zeit und Ressourcen, als regelmäßige Kontrollen es je getan hätten. In der Praxis reicht oft schon ein definierter technischer Monatscheck, um langfristig stabil zu bleiben. Wer diesen Rhythmus durchhält, bleibt auch in einer KI-dominierten Suche auffindbar.
Ein persönlicher Gedanke zum Schluss
Ich glaube nicht, dass KI Google „abschalten“ wird – aber sie verändert das Spielfeld gewaltig. In dieser neuen Welt zählt nicht, wer mal hochgerankt hat, sondern wer dauerhaft zugänglich bleibt. Kein Algorithmus kann dich berücksichtigen, wenn er dich nicht findet.
Mein Rat: Investiere nicht nur in Content, sondern genauso in technische Hygiene. Kleine Maßnahmen heute verhindern große Katastrophen morgen.
Das Zeitalter der KI-Suche ist da – und die Sichtbarkeit deiner Marke hängt unmittelbar davon ab, wie sauber du dein Fundament hältst. Mach es dir zur Gewohnheit, regelmäßig unter die Oberfläche zu schauen. Denn genau dort entscheidet sich, ob du in der neuen Suchrealität vorkommst – oder verschwindest.