Rettungsplan für digitales Kapital bei Fusionen und Übernahmen

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Es gibt einen Moment, den ich nie vergessen werde. Ein lauter Konferenzraum, ein genervter Vorstand, eine übernommen Firma, die scheinbar alles „richtig“ gemacht hatte – bis ihre Sichtbarkeit im Netz plötzlich verschwand. Der ehemalige CEO des übernommenen Unternehmens schlug damals mit der Hand auf den Tisch und rief: „Ihr habt 90 Prozent unserer Leads vernichtet! Früher kamen die über organische Suche – jetzt sind unsere Inhalte weg, unsere Kunden auch.“ Genau dort habe ich begriffen, dass Digitales Kapital genauso wertvoll ist wie finanzielle Assets.

Immer wieder unterschätzen Firmen bei Fusionen oder Übernahmen die digitale Seite ihres Geschäfts. Sie kümmern sich akribisch um Finanzstrukturen und Markenintegration – aber vergessen das Fundament, auf dem heute Markenvertrauen, Reichweite und Umsatz aufbauen: Sichtbarkeit in der digitalen Welt.

Wenn digitale Substanz verschwindet

Was ich als Digital Dilution Effect bezeichne, beschreibt den stetigen Verlust an digitalem Markenwert, Sichtbarkeit und Performance, sobald Webseiten oder ganze Plattformen in einem M&A-Prozess ohne saubere Planung zusammengelegt werden. Oft geschieht das unbewusst: Inhalte werden gelöscht oder umgeleitet, Links brechen, oder bestehende Autorität aus jahrelanger SEO-Arbeit geht verloren. Es ist ein schleichender Prozess, der sich in sinkenden Rankings, weniger Leads und schwindender Markenrelevanz zeigt – manchmal über Nacht.

Im Grunde ist das wie eine digitale Abwertung des Unternehmens. In der analogen Welt würde niemand auf die Idee kommen, Kundenstämme oder Patente „aus Versehen“ zu entsorgen. Aber im digitalen Kontext passiert genau das regelmäßig, weil niemand Verantwortung dafür übernimmt.

Typische Ursachen für Sichtbarkeitsverlust

Die Gründe sind meist banal, aber folgenreich:

  • Domain-Konsolidierung ohne Plan. Alte Domains werden einfach auf eine neue Marke weitergeleitet, aber oft fehlerhaft. Dadurch verlieren sie über Nacht Indexierung und Ranking.
  • Inhaltsreduktion. Ein ehemals umfangreiches Fachportal wird auf einige Marketingseiten reduziert. Relevante Informationen, die über Jahre Vertrauen aufgebaut haben, verschwinden.
  • Unterschätzte Technik. Unterschiedliche CMS-Systeme, falsche interne Verlinkungen, unpassende Weiterleitungslogik – das alles verursacht massive Crawling-Probleme.
  • Fehlende internationale Abstimmung. Gerade bei globalen Marken führen falsche hreflang-Angaben oder Sprachlogiken dazu, dass Seiten in falschen Märkten ausgespielt oder gar nicht gefunden werden.
  • Content-Kannibalisierung. Doppelter Content innerhalb des Konzerns lässt Suchmaschinen ratlos zurück: Welche Version ist maßgeblich? Oft keine.
  • Messchaos. Bricht das Tracking an den Schnittstellen, fehlt jede Transparenz über den Verlust – und damit die Möglichkeit zur Gegensteuerung.
  • Langsame Umsetzung. Zwischen Meldung der Übernahme und tatsächlicher Migration vergehen Monate. Kunden und Bots wissen in dieser Phase schlicht nicht mehr, wohin sie gehören.

Ich habe Fusionen gesehen, bei denen allein die Abschaltung einer alten Domain Millionen gekostet hat, weil sie vorher über 80 Prozent des organischen Traffics generierte. Niemand hatte sich gefragt, was mit diesem Traffic passieren würde.

Die bittere Realität hinter den Zahlen

Ein Beispiel: Ein Industriekonzern übernimmt einen kleineren europäischen Wettbewerber. Der Deal: 200 Millionen Dollar schwer. Das übernommene Unternehmen hatte sich über Jahre als Autorität im B2B-Segment etabliert, mit hervorragenden Rankings in mehreren Sprachen. Nach der Integration wurden alle Inhalte zu einer simplen Pressemitteilung weitergeleitet. Innerhalb von vier Wochen sank der Sichtbarkeitsindex um 94 Prozent. Die KI-Systeme, die den alten Content bisher zitierten, strichen ihn – und ersetzten die Quelle durch Wettbewerber.

Die monatlich generierten Leads im Wert von über vier Millionen Dollar waren weg. Allein diese Episode hat dem Käufer im ersten Jahr deutlich mehr Verluste eingebracht als die Synergie-Effekte einsparen konnten.

Warum passiert das trotzdem immer wieder?

Weil die Teams verschiedene Ziele verfolgen. Juristen wollen Risiken vermeiden, IT-Abteilungen wollen vereinheitlichen, Marketing will die neue Marke möglichst schnell sichtbar machen. Was fehlt, ist jemand, der das digitale Kapital schützt – also die Summe aus Reichweite, Vertrauen und Content-Autorität. SEO-Expert:innen werden oft viel zu spät eingebunden, meist erst dann, wenn das Kind bereits im Brunnen liegt und der Verkehr wegbricht.

Besonders gefährlich wird es bei internationalen Konzernen: Lokale Teams pflegen eigene Standards, Sprachen und Domains. Nach der Übernahme wird alles zentralisiert – meist um Kosten zu sparen – und plötzlich konkurriert man intern um dieselben Keywords. Am Ende gewinnen die Mitbewerber draußen im Markt.

Folgen, die über Suchmaschinen hinausgehen

Wenn digitale Assets verschwinden, betrifft das weit mehr als SEO-KPIs:

  • Marketing verliert seine Kanäle für Retargeting und Lead-Nurturing.
  • Sales-Abteilungen sehen den Zufluss organischer Leads versiegen.
  • Produktteams haben keine Bühne mehr für Updates oder Innovationen.
  • Investoren wundern sich, warum prognostizierte Synergien ausbleiben.

All das, weil niemand rechtzeitig fragte: „Wie erhalten wir unsere digitale Sichtbarkeit?“

Ein pragmatischer Wiederherstellungsplan

Es gibt kein Patentrezept, aber einige Grundprinzipien helfen, digitale Verluste zu vermeiden oder rückgängig zu machen.

1. Digitale Bestandsaufnahme vor Vertragsabschluss

Erfasse, welche Seiten wirklich Reichweite, Leads oder Erwähnungen generieren. Diese Daten bilden dein digitales Vermögensverzeichnis. Ohne das fliegst du blind.

2. Eine klare Migrationsstrategie

Definiere genaue Weiterleitungen, strukturiere Daten sauber, übernehme funktionierende Inhalte – auch wenn sie optisch nicht zur neuen Marke passen. Wichtig ist, dass Suchmaschinen die Verbindung verstehen.

3. Digitale Leitstelle im M&A-Team

Setze jemanden ein, der die verschiedenen Abteilungen verbindet und genug Autorität besitzt, technische und kommunikative Entscheidungen durchzusetzen. Es muss jemand sein, der SEO, Analytics und Systemlandschaft wirklich versteht.

4. SEO in die Due-Diligence aufnehmen

Digital Equity gehört mit in die Bewertung – genau wie Patente oder Lagerbestände. Ohne diese Perspektive unterschätzt du den tatsächlichen Wert (und das Risiko) der Transaktion.

5. Den Markenlaunch als Sichtbarkeits-Event planen

Ein Rebranding kann auch als Beschleuniger wirken. Nutze Pressearbeit, strukturierte Daten und thematisches Storytelling, um die neue Positionierung sofort zu verankern, statt alte Signale abzuschneiden.

6. Laufende Überwachung und Anpassung

Erwarte einen kurzzeitigen Einbruch – aber überwache Indexierungszahlen, Klicks und Erwähnungen kontinuierlich. Frühzeitiges Eingreifen spart Monate.

Der entscheidende Perspektivwechsel

So, wie in der alten Wirtschaft Markenwert durch Vertrauen und Reputation entstand, liegt dieser Wert heute zunehmend in digitaler Sichtbarkeit und strukturierter Online-Präsenz. Digital Equity ist Brand Equity. – und wer sie leichtfertig aufs Spiel setzt, zerstört mehr als nur Rankings. Man löscht die Stimme der Marke aus der digitalen Welt.

Wenn 60 Prozent aller Leads über die Website des übernommenen Unternehmens laufen, darf diese Domain nicht einfach abgeschaltet werden, weil ein oberes Management „Markenkonsistenz“ anstrebt. Das ist ökonomischer Selbstmord. Ebenso töricht ist es, Blogs oder Fachinhalte zu streichen, die in KI-Antworten zitiert wurden – denn damit geht auch das Vertrauen der Algorithmen verloren.

Ich habe gelernt: CMO, CTO und CSO müssen im selben Raum sitzen, noch bevor die Verträge unterschrieben sind. Es geht nicht nur um Finanzintegration, sondern um digitale Kontinuität. Sonst bezahlt man am Ende zweimal – einmal für den Kauf, und nochmal für den Wiederaufbau der zerstörten Sichtbarkeit.

Mein Fazit

Manchmal denkt man, eine Fusion sei abgeschlossen, wenn die Logos ausgetauscht und die Pressemitteilungen draußen sind. In Wahrheit beginnt dort erst die eigentliche Arbeit. Digitale Markenintegrität ist kein Restposten, sondern das Nervensystem des Unternehmens. Wenn du es ignorierst, verlierst du den Anschluss an deine Kunden – und in einer Welt, die digital entscheidet, bedeutet das: Du verlierst die Zukunft.

Deshalb lautet meine einfache Faustregel: Behandle deine digitale Präsenz wie dein teuerstes Asset. Schütze sie bei jedem Unternehmensschritt – auch dann, wenn alle anderen nur auf Bilanzen schauen. Denn was nicht mehr gefunden wird, kann auch nicht mehr gewählt werden.

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Tom Brigl, Dipl. Betrw.

Ich bin SEO-, E-Commerce- und Online-Marketing-Experte mit über 20 Jahren Erfahrung – direkt aus München.
In meinem Blog teile ich praxisnahe Strategien, konkrete Tipps und fundiertes Wissen, das sowohl Einsteigern als auch Profis weiterhilft.
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