Manchmal fragt man sich, warum SEO-Erfolge so schwer sichtbar zu machen sind. Die Rankings steigen, der Traffic läuft – und dennoch bleibt die Frage aus dem Management dieselbe: „Wie viel Umsatz bringt uns das eigentlich?“ Ich habe über die Jahre gelernt, dass das Problem selten in der Kommunikation liegt. Meist liegt es schlicht an der Messung. Viele Datenansätze im SEO hören beim Klick auf. Das bedeutet: Wir sehen, wie Menschen auf unsere Seite kommen, aber kaum, was danach passiert. Und genau da versteckt sich der eigentliche Wert unserer Arbeit – im Nutzerverhalten nach dem ersten Kontakt.
Warum traditionelle SEO-Reports oft scheitern
Die meisten Berichte enden bei „Impression“ und „Klick“. Doch die Reise des Nutzers hört da nicht auf. Wer den wahren Wert seines Contents verstehen will, muss das komplette Bild sehen – von der ersten Suchanfrage über den Seitenbesuch bis hin zum Kauf oder zur Aktion. In Google Analytics 4 (GA4) lässt sich genau diese Nutzerreise inzwischen erstaunlich detailliert abbilden, wenn man weiß, worauf man achten muss.
Ich erinnere mich an Zeiten, in denen ich Stunden mit Keywordlisten und Trafficspalten verbrachte. Das vermittelte ein Gefühl von Kontrolle, aber rückblickend betrachtet war es nur ein Bruchstück des tatsächlichen Erfolgs. Erst durch das Nachverfolgen von Nutzern über mehrere Schritte – Klick, Scroll, Engagement, Micro-Conversion – wurde mir klar, wie viele Chancen unter der Oberfläche schlummerten. Und ehrlich gesagt, manche Aha-Momente waren spektakulär.
Den ganzen Weg sehen: Warum User Journeys Gold wert sind
Wenn du die gesamte Nutzerreise betrachtest, öffnet sich eine ganz neue Perspektive. Du erkennst, welche deiner organischen Besucher tatsächlich zu Kunden werden, wo sie abspringen, welche Seiten sie in die falsche Richtung führen oder an welcher Stelle kleine Änderungen große Resultate bringen. Außerdem kannst du viel besser argumentieren, warum SEO nicht nur Sichtbarkeit, sondern auch Umsatztreiber ist.
Die Diskussion verschiebt sich. Statt „Wir haben 20 % mehr organischen Traffic“ kannst du plötzlich sagen: „Wir haben die Absprungrate im Funnel um 15 % reduziert – was uns X neue Abschlüsse gebracht hat.“ Genau dieser Perspektivwechsel stärkt dein Standing im Team.
Der Weg zur GA4-Reiseanalyse: Schritt für Schritt
1. Starte mit dem „Funnel Exploration“-Report
Öffne in GA4 den Bereich Explore und wähle dort Funnel Exploration. Das ist dein Einstiegspunkt, um eine Nutzerreise Schritt für Schritt zu modellieren. Standardmäßig sind dort schon ein paar Parameter hinterlegt, aber meist passen sie nicht zu deinem konkreten Ziel. Also lohnt sich ein kurzer Umbau.
Wenn ich etwa verstehen will, warum viele Blogleser eine Produktseite aufrufen, aber nie den Checkout erreichen, baue ich meine Schritte so, dass sie genau diesen Verlauf abbilden. Und das kann zu Erkenntnissen führen, die keiner im Team erwartet hat – zum Beispiel, dass mobile Nutzer wegen eines schlecht sichtbaren Buttons hängen bleiben.
2. Definiere deine Variablen
Gib deinem Report einen sprechenden Namen (z. B. „SEO Funnel Q1 – Blog → Signup“). Wähle anschließend den Analysezeitraum und entscheide, welche Segmente du betrachten willst. Ich beginne meist mit organischem Traffic, aber du kannst auch bestimmte Zielgruppen definieren – etwa „Returning Visitors“ oder „Mobile Only“. Unter „Dimensions“ kannst du zusätzlich Kriterien wie Gerätetyp oder Land ergänzen.
Ein Beispiel aus meiner Praxis: Bei einem SaaS-Kunden stellte sich heraus, dass der meiste Traffic aus organischen Quellen kam – aber die Conversions fast ausschließlich aus Desktop-Sessions. Die Dimension „Device Category“ machte dieses Muster sichtbar. Danach war klar, dass das mobile Erlebnis Priorität braucht.
3. Stelle das Tab sinnvoll ein
Entscheide dich, ob dein Funnel „offen“ oder „geschlossen“ sein soll. Wenn Nutzer beispielsweise direkt auf eine Produktseite kommen, ohne vorher den Blog zu besuchen, hilft ein offener Funnel, um sie trotzdem einzubeziehen. In vielen B2B-Setups ist das entscheidend, weil nicht jeder dieselbe Einstiegstür wählt.
Dann kommen die eigentlichen Steps: Hier legst du fest, welche Ereignisse zur Analyse zählen – etwa Seitenaufrufe, das Scrollen bis zu 75 %, Klicks auf CTA-Buttons oder abgeschickte Formulare. GA4 erlaubt es, dafür Custom Events zu erstellen. Ohne diese Möglichkeit wäre vieles gar nicht messbar. Ich habe z. B. eigene Events für Demo-Buchungen und Newsletteranmeldungen eingerichtet – die zeigen mir genau, wie weit SEO-Besucher im Kaufprozess kommen.
4. Ergänze bei Bedarf „Breakdowns“
Wenn du tiefer verstehen willst, wo Unterschiede entstehen, kannst du Dimensions in den Bereich „Breakdown“ ziehen. Das ist so etwas wie der Feinschliff deiner Analyse. Was ich persönlich meistens prüfe:
- Gerätetyp: Mobile Nutzer verhalten sich fast immer anders – oft schlechter konvertierend.
- Land oder Sprache: Manchmal performen bestimmte Regionen trotz weniger Sessions überdurchschnittlich gut.
- Trafficquelle: Wenn du mehrere organische Kanäle hast (z. B. Google, Bing, Discover), siehst du dort, wer die „besseren“ Besucher bringt.
5. Speichere deinen Report im GA4-Library-Bereich
Das klingt nach einem kleinen Schritt, ist aber enorm nützlich. Du kannst den Funnel als eigenen, dauerhaften Report speichern, der im Menü links auftaucht. So beobachtest du diese Nutzerreisen langfristig und erkennst Trends. Ich nutze das, um monatlich Entwicklungen zu dokumentieren: Wo verbessern sich die Conversionpfade? Wo entstehen neue Hürden?
Typische Stolperfallen – und wie du sie vermeidest
Falsche Prioritäten
Viele Teams stecken Energie in unwichtige Aktionen – etwa Klicks auf sekundäre Links oder Scrolltiefe auf Informationsseiten. Ich habe gelernt: Miss lieber wenige, aber geschäftsrelevante Aktionen. Das spart Zeit und liefert deutlichere Erkenntnisse.
Chaotische Benennung
Wenn deine Reports Namen wie „Test-Funnel-3-alt“ tragen, ist der Nutzen dahin. Verwende klare Bezeichnungen für Events und Reports, damit jeder im Team sofort versteht, worum es geht.
Drop-offs übersehen
Die wertvollsten Einsichten liegen oft dort, wo Nutzer massenhaft aussteigen. Schau dir sowohl den größten absoluten Verlust als auch den höchsten prozentualen Abfall an. Wenn 70 % der User vor dem „Add-to-Cart“-Klick verschwinden, ist das dein Hebel – ganz egal, wie perfekt die oberen Funnel-Stufen aussehen.
Fehlende Wissensteilung
Ich habe erlebt, wie eine tolle Funnel-Analyse in der Schublade verschwindet, weil sie nie intern geteilt wurde. Das ist verschenktes Potenzial. Haltet eure Erkenntnisse fest, erklärt sie im Team-Meeting, und macht daraus vielleicht ein Standard-Reporting. Das schafft kulturell ein Verständnis dafür, warum SEO mehr ist als Keywords und Links.
Ein einfacher 4-Wochen-Plan zum Start
Du brauchst keinen riesigen Umbau deiner Analytics-Struktur. Starte klein – aber gezielt:
Woche 1:
- Überprüfe, was aktuell überhaupt getrackt wird.
- Notiere drei Aktionen, die wirklich zum Geschäftserfolg führen (z. B. Demo-Anfrage, Kauf, Newsletteranmeldung).
Woche 2:
- Richte in Google Tag Manager ein eigenes Event ein, das diese Aktion sauber erfasst.
- Teste die Daten in Echtzeit, bis alles sicher läuft.
Woche 3:
- Baue im GA4-Explorer deinen ersten Funnel entlang dieser Ereignisse.
- Markiere den größten Abbruch im Prozess.
Woche 4:
- Diskutiere das Ergebnis mit deinem Team – UX, Content, Dev.
- Starte eine kleine Optimierung (z. B. Buttonfarbe, Text, Layout oder Ladezeit).
- Beobachte danach die Veränderungen.
Was sich wirklich verändert, wenn du so arbeitest
Ab dem Moment, in dem du Nutzerreisen misst, verändert sich deine Denkweise. Entscheidungen beruhen nicht mehr auf Vermutungen, sondern auf Verhalten. Du erkennst, welche Seiten besucherfreundlich sind und welche nur Traffic-Lieferanten ohne Wirkung. Du kannst Führungskräften endlich zeigen, dass SEO nicht nur Besucher anzieht, sondern spürbar zur Conversion beiträgt.
Für mich war der entscheidende Aha-Moment, dass SEO nicht am Seitenbesuch endet. Der eigentliche Job beginnt nach dem Klick. Es geht darum, Erlebnisse zu schaffen, die Nutzer führen, überzeugen und halten. Dafür ist GA4 – richtig genutzt – aktuell das mächtigste Werkzeug.
Fang klein an. Eine gut definierte Nutzerreise ist oft aussagekräftiger als zehn generische Reports. Sobald du die ersten Muster erkennst, wirst du merken, dass hinter jeder Zahl eine Geschichte steckt – eine, die du beeinflussen kannst.