Cloudflare Jahresrückblick 2025: Zwischen KI-Crawlern, Googlebot und digitalem Wachstum
Das vergangene Jahr hat wieder einmal gezeigt, wie schnell sich das Internet verändert – nicht nur in Bezug auf Nutzerverhalten, sondern auch auf die digitale Infrastruktur im Hintergrund. Während der Großteil von uns mit generativer KI, Chatbots und Suchmaschinen interagiert, tobt im Verborgenen ein stiller Wettlauf zwischen sogenannten Crawlern – also Programmen, die das Web systematisch durchsuchen. Laut Cloudflares aktuellem „Year in Review“ für 2025 war kein Bot so aktiv wie Googlebot – und das mit enormem Abstand.
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Wenn Googlebot dominiert
Cloudflare wertete Milliarden von Serveranfragen über sein globales Netzwerk aus und kam zu einem überraschend eindeutigen Ergebnis: Googlebot durchstreifte 2025 mehr als 200‑mal so viele Seiten wie der KI‑Crawler PerplexityBot. Dieser Unterschied ist nicht nur beeindruckend, sondern auch erklärbar – schließlich nutzt Google seine Bot-Infrastruktur doppelt: zum einen, um Webseiten für die klassische Suche zu indexieren, zum anderen, um Inhalte als Trainingsmaterial für die eigenen KI‑Modelle zu erfassen.
Während OpenAIs GPTBot rund 3,6 % der von Cloudflare beobachteten Seiten ansteuerte, kam Googlebot auf stolze 11,6 %. Bingbot lag mit etwa 2,6 % noch relativ nah dran, gefolgt von Meta‑ExternalAgent und ClaudeBot mit jeweils rund 2,4 %. Die Zahlen machen deutlich: Obwohl viele neue Anbieter in den Markt strömen, bleibt Google in der Infrastrukturfrage unangefochten.
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Das Dilemma der Website-Betreiber
Das Spannende (und ein bisschen Bittere) aus meiner Sicht ist: Diese Dominanz hat Konsequenzen. Wer Googlebot blockiert, sorgt nicht nur dafür, dass Inhalte eventuell nicht in der KI‑Datenbank landen, sondern riskiert zugleich, in den organischen Suchergebnissen unsichtbar zu werden. Das schafft eine fast monopolitische Abhängigkeit. Man kann sich fragen, ob das langfristig noch ausgewogen ist – schließlich geht es dabei um nichts Geringeres als das digitale Eigentum an publizierten Inhalten.
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Künstliche Intelligenz als Dauerbesucher des Webs
Cloudflare fasst alle sogenannten „AI Bots“ – also automatisierte Zugriffe, die Inhalte für Sprachmodelle abrufen – gesondert zusammen. Im Jahresdurchschnitt machten sie 4,2 % aller HTML‑Anfragen aus. Interessanterweise war dieser Anteil im Sommer deutlich höher (6,4 %) und fiel nach dem Herbst wieder ab. Allein Googlebot erzeugte rund 4,5 % der HTML‑Anfragen – also mehr als sämtliche anderen AI‑Crawler zusammen.
Gleichzeitig nahm die Aktivität „echter“ menschlicher Nutzer wieder leicht zu: Im Dezember 2025 machten Menschen erstmals seit längerer Zeit wieder mehr Web‑Zugriffe aus als nicht‑KI‑Bots. Das spricht für eine gelungenere Balance zwischen automatisierter Datensammlung und echter Interaktion – zumindest vorerst.
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Was das Verhältnis von Crawling und Referrals verrät
Eine oft übersehene Kennzahl in Cloudflares Analyse ist das Verhältnis zwischen Seitenabrufen (Crawling) und den tatsächlichen Weiterleitungen (Referrals). Ein hoher Wert zeigt: Der Bot holt sich zwar Daten, schickt aber kaum Verkehr zurück.
Anthropic (das Unternehmen hinter Claude) kam im zweiten Halbjahr auf extrem hohe Werte von 25.000 : 1 bis 100.000 : 1. OpenAI lag bei bis zu 3.700 : 1, während Perplexity mit unter 400 : 1 relativ „ökonomisch“ arbeitete. Google sah mit 3 : 1 bis 30 : 1 fast schon freundlich aus – eben, weil der klassische Suchverkehr nach wie vor Nutzer zu Websites bringt.
Zugegeben: Diese Diskrepanz ist das große Reizthema zwischen Web‑Publishern und KI‑Firmen. Viele Betreiber empfinden es als unfair, dass ihre Inhalte massenhaft abgerufen werden, ohne dass nennenswert Besucher zurückkommen.
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Der Aufstieg des „User‑Action Crawling“
Ein interessanter Trend ist das, was Cloudflare „User‑Action Crawling“ nennt. Hierbei crawlen Bots nicht eigenständig, sondern auf Nutzeranfrage – etwa, wenn jemand ChatGPT eine Frage stellt und der Bot dafür frische Webinhalte holt. Diese Art von Zugriff stieg im vergangenen Jahr um das 20‑fache an.
Man merkt, dass die Nutzung generativer KI zunehmend interaktiv verläuft. Besonders auffällig war ein wöchentlicher Rhythmus: Montag bis Freitag hohe Aktivität, am Wochenende geringere. Offenbar wird ChatGPT nicht nur privat, sondern stark im beruflichen Kontext genutzt. Kurios: Während der Sommerferien sinkt das Aufkommen merklich – ganz wie beim Schulbetrieb.
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Wer darf rein, wer wird ausgesperrt?
Ein weiteres spannendes Kapitel betrifft die robots.txt‑Dateien – jene Textdokumente, mit denen Seitenbesitzer festlegen, welche Bots welche Bereiche durchsuchen dürfen. Cloudflare analysierte mehrere tausend davon und fand: GPTBot, ClaudeBot und CCBot stehen ganz oben auf der Blockierliste. Die meisten Richtlinien bestehen sogar aus einer vollständigen Sperre.
Googlebot und Bingbot dagegen werden meist nur teilweise blockiert, etwa für Login‑Seiten oder technische Unterordner. Das zeigt: Die Betreiber differenzieren zunehmend zwischen „guten“ Crawling‑Zwecken (Indexierung) und jenen, die sie eher als Datenraub empfinden (KI‑Training).
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Wenn Angriffe zunehmen – und Zivilgesellschaft im Fokus steht
Neben den Daten zu Crawlern widmet sich Cloudflare auch sicherheitsrelevanten Entwicklungen. Zum ersten Mal überhaupt wurde der Bereich „People and Society“ – also religiöse Einrichtungen, NGOs, Vereine oder Bibliotheken – zum meistattackierten Sektor des Jahres.
Ihr Anteil an allen abgewehrten Angriffen stieg auf über 17 %. Besonders heftig traf es diese Gruppen im Frühjahr und Sommer 2025. Viele von ihnen profitieren inzwischen vom Project Galileo, einer Cloudflare‑Initiative, die gefährdete gemeinnützige Organisationen kostenlos schützt.
Dass ausgerechnet soziale und kulturelle Einrichtungen zu Hauptzielen werden, ist kein Zufall. Deren IT‑Infrastruktur ist oft schwächer, und sie polarisieren politisch oder gesellschaftlich häufiger. Für Security‑Teams ist das ein Weckruf.
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Veränderungen auf globaler Ebene
Neben der Bot‑Analyse beleuchtet Cloudflare traditionell auch allgemeine Internettrends:
– Der globale Datenverkehr stieg um rund 19 %, getrieben durch Video‑Streaming, Remote‑Work und KI‑Tools.
– Der Anteil von post‑quantum‑verschlüsseltem Datenverkehr hat sich nahezu verdoppelt – ein Schritt Richtung Zukunftssicherheit.
– ChatGPT blieb weiterhin die am häufigsten genutzte generative KI‑Anwendung, doch Google Gemini, Grok, Windsurf AI und DeepSeek konnten stark aufholen.
– Starlink verdoppelte seine Aktivität mit neuen Netzen in über 20 Ländern – ein Hinweis darauf, wie stark Satelliten‑Internet an Bedeutung gewinnt.
– Und leider: Fast die Hälfte der globalen Internetabschaltungen war 2025 politisch veranlasst.
Besonders positiv fällt Europa auf: Länder wie Spanien, die Niederlande oder Schweden führen in puncto Verbindungsgeschwindigkeit und Stabilität – ein Indikator für die dortige digitale Infrastrukturqualität.
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Was bedeutet das für dich als Publisher oder Marketer?
Zunächst einmal: Die Zeiten, in denen Bots eine Randerscheinung waren, sind vorbei. Wer heute Inhalte online stellt, gehört unweigerlich zum Rohstoff der KI‑Evolution. Du kannst GPTBot blockieren, Bingbot drosseln oder Perplexity ausschließen – aber Googlebot zu sperren ist praktisch unmöglich, wenn du weiterhin in der Suche auftauchen willst.
Das ist der Kern des Problems: Es gibt keine klare Trennung mehr zwischen Suchmaschinen‑ und KI‑Zugriff. Google nutzt beides parallel. Dadurch entsteht ein unausweichliches Abhängigkeitsverhältnis, das viele kleinere Publisher frustriert.
Auch die Crawl‑to‑Refer‑Raten sind lehrreich: Während klassische Suchmaschinen immer noch Traffic zurückliefern, fungieren viele KI‑Systeme als Endstation. Wer also wissen will, wie viel Nutzen diese Plattformen tatsächlich bringen, muss künftig auch solche Kennzahlen auswerten.
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Zwischen Schutz und Sichtbarkeit
Die Daten zur robots.txt‑Verwendung zeigen, dass sich viele Betreiber differenziert schützen. Vollständige Sperren bleiben selten, zumindest bei etablierten Suchpartnern. Die Mehrheit entscheidet sich für Teilfreigaben – vielleicht auch, weil niemand das Risiko eingehen möchte, plötzlich komplett aus den Suchergebnissen zu verschwinden.
Ich habe inzwischen den Eindruck, dass es eine Art stilles Abkommen gibt: „Google darf fast alles, die anderen müssen sich benehmen.“ Ob das langfristig fair ist, steht auf einem anderen Blatt.
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Ein kurzer Blick in die Zukunft
Cloudflare geht davon aus, dass die Balance zwischen Crawling, Training und tatsächlicher Weiterleitung im kommenden Jahr noch intensiver beobachtet werden muss. KI‑Plattformen werden ihre Mechanismen optimieren, einige vielleicht sogar kompensatorische Traffic‑Modelle anbieten, um Publishern entgegenzukommen.
Zudem wird interessant sein, wie sich ChatGPTs Such‑Integration weiterentwickelt. Schon 2025 gab es Anzeichen, dass OpenAI das Verhältnis von Crawling zu Referral leicht verbessern konnte, je stärker ChatGPT Suchergebnisse direkt verlinkte.
Auf lange Sicht könnte sich daraus ein neues Ökosystem ergeben: eines, in dem KI‑Dienste Inhalte nicht nur „nehmen“, sondern gezielter wieder zurückverweisen – ein bisschen so, wie klassische Suche es einst getan hat.
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Was ich persönlich mitnehme
Mich fasziniert an diesem Bericht vor allem, wie sehr sich die Definition von „Traffic“ verschiebt. Früher waren Seitenaufrufe synonym mit Menschen. Heute ist das Netzwerk voller Bots – mal nützlich, mal störend, oft beides zugleich.
Als Content‑Schaffender muss man sich darauf einstellen, dass Sichtbarkeit künftig nicht mehr nur in Suchmaschinen, sondern auch in KI‑Modellbibliotheken spielt. Wer verstanden wird, dessen Inhalte leben weiter – manchmal in ganz neuen Kontexten.
Und trotzdem bleibt das Grundprinzip des Internets gleich: Vertrauen durch Transparenz, Qualität durch Relevanz.
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Fazit
2025 war ein Jahr, in dem nicht Menschen, sondern Maschinen das Netz prägten. Googlebot dominierte die Datenflüsse, KI‑Crawler eroberten neue Räume, und der klassische Website‑Besucher geriet zur Minderheit – zumindest zeitweise. Gleichzeitig zeigte der Bericht, dass auf Ebene der Sicherheit, Verschlüsselung und globalen Konnektivität enorme Fortschritte erzielt wurden.
Am Ende bleibt die doppelte Herausforderung: Wir müssen lernen, mit Bots sinnvoll umzugehen – ohne unsere Inhalte zu verschenken – und zugleich die Resilienz jener Institutionen stärken, die am verletzlichsten sind. Zwischen technologischem Fortschritt und gesellschaftlicher Verantwortung verläuft keine klare Linie, aber zumindest hilft ein Bericht wie dieser, sie etwas schärfer zu erkennen.