Es ist schon faszinierend, wie schnell sich unser Handwerk als SEOs verändert. Gerade wenn man denkt, man hat das Ökosystem einigermaßen im Griff, zieht Google einen Schalter um – und plötzlich verändert sich die Grundlage, auf der viele Analysen beruhen. Genau das ist kürzlich passiert, als Google das beliebte num=100 Suchparameter abgeschaltet hat. Vielleicht hast du es selbst gemerkt: Suchmaschinenoptimierer konnten bisher für jede Abfrage gleich 100 organische Treffer auf einen Schlag abrufen. Das machte es Tools und Agenturen leicht, Daten in großem Stil zu sammeln. Doch seit Google das unterbunden hat, stehen wir an einem Scheideweg.
Mich hat diese Entwicklung nicht überrascht, aber sie hat mich zum Nachdenken gebracht: Welche Daten brauchen wir wirklich? Worauf können wir uns verlassen – und worauf sollten wir lieber ohnehin nie vertraut haben? Genau darum soll es in diesem Text gehen. Ich möchte dir erklären, wie es zu dieser Entscheidung gekommen ist, was das für dich als SEO bedeutet und in welche Richtung sich Rank Tracking in Zukunft bewegen könnte.
Ein kleiner Schalter mit großer Wirkung: Das Ende von num=100
Bisher konnten Tools und Data Provider das Parameter num=100 nutzen, um nicht nur die Top 10, sondern gleich die Top 100 Google-Ergebnisse einzusehen. Für SEO-Software war das ein Segen: mit weniger Crawlsund Abfragen kam man an viel mehr Daten. Als Google genau diese Möglichkeit blockierte, hieß das für die Anbieter: Entweder zehnmal so viel Crawling betreiben – was immens teuer wird – oder ihre Datentiefe massiv reduzieren.
Genau hier hat sich gezeigt, dass viele unserer bisherigen „satten“ Daten ein Trugbild waren. Der Eindruck, wir würden verlässlich hunderte Rankings beobachten können, stellte sich als fragiler heraus, als wir dachten. Manche Digital Marketer haben das schnell verstanden, andere kämpfen noch dagegen an. Denn die entscheidende Frage lautet jetzt: Brauchen wir die Sicht auf 100 Ergebnisse überhaupt?
Zwischen Kampf und Pragmatismus: Zwei Lager prallen aufeinander
Die Szene reagiert gespalten. Einige Tool-Anbieter wie SpyFu haben angekündigt, sich mit Händen und Füßen gegen das Ende der Top-100-Daten zu wehren. Sie wollen neue Wege finden, weil viele Nutzer weiterhin an diesen Daten hängen. Man spürt darin fast den Trotz: „Wir lassen uns das nicht nehmen!“ Und ich gebe zu, einen gewissen Respekt für diese Haltung habe ich. Allerdings hat es auch etwas von einem Kampf gegen die Realität.
Auf der anderen Seite stehen Stimmen wie Tim Soulo von Ahrefs, der recht nüchtern argumentiert: Alles jenseits der Top 20 sei in Wahrheit kaum praktikabel. Ja, eine Seite, die in den Top 21 bis 100 herumdümpelt, ist sichtbar indexiert – aber Hand aufs Herz: hast du jemals ernsthaft ROI daraus gezogen, dass ein Keyword auf Position 57 steht? Wahrscheinlich nicht. Aus meiner Erfahrung ist diese Zone eher ein Indikator für: Google weiß von der Seite, aber sie ist nicht sonderlich relevant oder konkurrenzfähig.
Top 10, Top 20 und der Rest
Die meisten Klicks landen sowieso in den Top 10. Hier entscheidet sich, wer sehr erfolgreich ist – oder eben gar nicht. In den Plätzen 11 bis 20 liegt dagegen echtes Potenzial. Ich schaue mir das oft wie eine Art Stau vor der Ziellinie an: Wenn deine Seite hier auftaucht, zeigt Google, dass sie zum Thema passt, aber irgendetwas fehlt noch, um ganz nach vorne zu kommen. Genau diese „fast in der ersten Reihe“-Signale sind Gold wert. Sie verraten dir, wo du mit Content, Usability oder Backlinks nachjustieren musst.
Alles ab Platz 21 dagegen – und da stimme ich Soulo zu – ist eher Nebelkerzen-Zone. Du kannst es zur Kenntnis nehmen, mehr aber auch nicht. Das Ranking auf Seite fünf oder sieben verändert nichts am realen Traffic und erzeugt nur eine trügerische Beschäftigung mit „Daten“, die in Wahrheit keinen Geschäftswert haben.
Verzerrte Daten im Blick: Was die Search Console uns wirklich zeigt
Eine weitere spannende Entwicklung sind die Berichte, dass die Google Search Console plötzlich weniger Impressionen meldet als zuvor. Über Monate hinweg hatten viele Websites recht konstante Zahlen. Doch seit dem Abschalten von num=100 sehen SEOs teils massive Einbrüche in den Impressionen. Analysen von mehreren hundert Projekten zeigten sogar, dass über 80 % der Websites plötzlich weniger Impressionen und weniger Keywords in der Konsole sehen.
Wie kommt das? Ganz einfach: Früher haben Scraper und Tools künstlich oft Impressionen erzeugt, weil Ergebnisse bis weit hinten gezählt wurden. Indem Google die Datenquelle „bereinigt“, fällt das künstliche Rauschen weg. Klar tut es weh, wenn Zahlen kleiner werden. Aber ich finde, es ist eigentlich ein gesünderer Zustand: endlich spiegeln die Daten mehr Realität wider. Wir sehen, wo Seiten wirklich im Fokus stehen – nicht mehr, wo sie theoretisch irgendwo in der Versenkung auftauchen.
Googles Strategie gegen Scraper
Man darf nicht vergessen: Google geht systematisch gegen Scraping von Suchergebnissen vor. Das num=100-Parameter ist nur ein Beispiel, vermutlich kommen weitere Schritte. Schon jetzt sucht Google aktiv nach Mustern, um automatisierte Abfragen zu blockieren und statistisch zu entlarven. Für uns als SEOs bedeutet das: Wir können uns nicht mehr darauf verlassen, dass Tools dauerhaft ungehindert Daten massenhaft aus den SERPs ziehen.
Das klingt vielleicht bedrohlich, man könnte es aber auch anders sehen: Google zwingt uns damit, relevanter zu werden. Statt riesige Datenmengen mit Ranking-Listen zu durchforsten, müssen wir die wirklich handlungsrelevanten Kennzahlen im Auge haben – Klicks, Conversions, Top-10-Bewegungen.
Was bedeutet das für dich – und für die Zukunft?
Ich glaube, wir stehen an einem Wendepunkt. Das klassische „Rank Tracking“ aus der frühen SEO-Ära, wo Tabellen voller Keywords beobachtet wurden, ist auf dem Rückzug. Stattdessen wird sich alles auf zwei Dinge zuspitzen:
- 1. Starke Konzentration auf Top-Keywords: Wer oben mitspielen will, schaut auf die Top 10–20 und zieht daraus Insights.
- 2. Mehr Attribution, weniger Vanity Metrics: Wichtig ist nicht, ob „Keyword X“ auf Platz 47 oder 87 rangiert, sondern ob ein Ranking wirklich messbaren Traffic und Umsatz bringt.
Und ehrlich gesagt finde ich diesen Wandel gut. Ich sehe oft, dass Unternehmen sich zu sehr in Zahlen verlieben, die hübsch aussehen, aber nichts bewegen. Ein Ranking-Bericht voller Keywords ist beeindruckend – aber wenn das meiste jenseits der zweiten Seite liegt, bleibt es Makulatur. Das neue Umfeld zwingt dazu, messbare Ergebnisse zu fordern und Streuverluste abzuschneiden.
Zwischenfazit
Vielleicht klingt es drastisch, aber für mich ist klar: Die Tage der hundertfachen Keyword-Listen sind gezählt. Google macht ihnen technisch das Leben schwer, und wir SEOs sollten lernen, mit schärferem Fokus zu arbeiten. Am Ende geht es nicht darum, jeden Stein umzudrehen, sondern die richtigen Steine ins Rollen zu bringen.
Meine persönliche Sicht
Wenn ich zurückdenke: Vor zehn Jahren habe ich Stunden damit verbracht, Excel-Tabellen mit hunderten Rankings zu durchsuchen. Damals fühlte es sich produktiv an. Heute weiß ich: Vieles davon war Zeitverschwendung. Die Zukunft liegt darin, die wichtigsten Datenpunkte zu identifizieren und mit ihnen zu arbeiten. Und an diesem Punkt zwingt uns Google jetzt zum Umdenken – ob wir wollen oder nicht.
Darum würde ich sagen: Versuche dich Schritt für Schritt von der Idee zu lösen, dass SEO-Erfolg eine Frage der Masse ist. Konzentriere dich auf die Spitze. Schau dir genau an, wo Keywords kurz vor dem Sprung stehen. Optimiere dort. Miss den tatsächlichen Einfluss auf Traffic und Umsatz. Alles andere ist bloß Zahlenspielerei.
Abschließend: So unbequem Googles Eingriff zunächst scheint – er könnte ein Segen sein. Für die Branche, weil sie sauberere Daten bekommt. Für dich, weil du dich auf die wirklich wichtigen Signale konzentrierst. Und am Ende: für deine Kunden oder dein eigenes Projekt, weil die Energie endlich dorthin fließt, wo sie auch Rendite erwirtschaftet.