Wie Google Discover wirklich funktioniert
Google Discover ist für viele Seitenbetreiber ein Rätsel – ein schwarzer Kasten, der mal Millionen von Impressionen beschert und dann wieder gähnende Stille liefert. Doch in den letzten Jahren sind viele Hinweise aufgetaucht, darunter der große Leak der Google-Dokumente. Ich habe mir diese Daten genau angesehen und sie mit meiner eigenen Erfahrung abgeglichen. Herausgekommen ist eine ziemlich klare Vorstellung davon, wie Googles Entdeckungs-Feed tatsächlich funktioniert – und welche Stellschrauben du in der Hand hast.
Was mich besonders fasziniert: Discover ist kein Newsfeed im klassischen Sinne, sondern ein hybrider Algorithmus irgendwo zwischen Suche, Social Media und personalisiertem Content-Vorschlag. Er nutzt dieselben Kernsignale wie die normale Google-Suche, aber interpretiert sie nach anderen Prioritäten. Im Folgenden zeige ich dir, wie dieser Mechanismus aufgebaut ist – und wie du dich praktisch darauf einstellen kannst.
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Der Kern: Vertrauen & Nutzererfahrung
Damit dein Inhalt überhaupt in Discover auftaucht, muss Google ihn als vertrauenswürdig einstufen. Das passiert über mehrere interne Bewertungen, die im Leak als „Proxy Scores“ bezeichnet werden. Hier spielen drei Aspekte die Hauptrolle:
– **is_discover_feed_eligible:** Ein Ja/Nein-Wert, der festlegt, ob die Seite prinzipiell für Discover zulässig ist. Spam oder unpassende Themen werden hier schon aussortiert.
– **publisher_trust_score:** Eine Art Reputation-Score deines gesamten Publishers – wie zuverlässig, seriös und konsistent deine Seite in der Vergangenheit war.
– **topicAuthority_discover:** Hier prüft Google, ob du in einem bestimmten Themenfeld als Autorität giltst.  
In meiner Arbeit habe ich oft gesehen: Wenn eine Domain über Wochen oder Monate fehlerfreien, thematisch schlüssigen Content liefert, wächst dieser Vertrauenswert deutlich. Sobald du ihn verlierst – etwa durch Clickbait oder massenhaft schwache Artikel – wird der gesamte Feed-Zugriff quasi abgeschaltet.
Was mir gefällt: Google geht hier gar nicht so geheimnisvoll vor, wie viele denken. Es ist derselbe Mechanismus wie bei klassischen Rankings, nur dass in Discover Nutzerzufriedenheit noch stärker gewichtet wird.
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Von der Veröffentlichung bis zum Abstieg: die sechs Phasen
Discover funktioniert in einem ziemlich linearen Kreislauf. Jede Veröffentlichung durchläuft eine Art „Pipeline“, die in sechs Stationen unterteilt ist. Ich gehe sie hier Schritt für Schritt durch und erkläre, wo du ansetzen kannst.
1. Die Eignungsprüfung
Am Anfang steht eine technische Schranke. Nur Inhalte, die indexiert sind, die Content-Richtlinien nicht verletzen und in einem sauberen technischen Rahmen (https, strukturierte Daten, keine Werbeflut) erscheinen, dürfen mitspielen. Erst dann prüft Google die inhaltlichen Faktoren.
Meine Faustregel: Wenn du schon in der Websuche kaum Sichtbarkeit hast, wirst du in Discover gar nicht erst getestet. Anders gesagt: Discover belohnt etablierte Qualität.
2. Der Frische-Boost
Neue Inhalte bekommen zunächst einen künstlichen **Anschub** – ein „Freshness Boost“. Dabei testet Google dein Thema bei einem kleinen Publikum. Ob daraus mehr wird, hängt von den ersten Nutzerreaktionen ab: Klickrate, Scrolltiefe, Zeit auf der Seite.
Interessant ist, dass hier ein Modell wirksam ist, das auf früheren Ergebnissen deines gesamten Themenbereichs aufbaut. Hatten ähnliche Artikel auf deiner Domain gute CTRs, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass auch der neue Beitrag höher ausgespielt wird.
Das bedeutet im Klartext: Qualität zieht sich gegenseitig nach oben. Wenn du ständige Ausreißer nach unten produzierst, schneidest du dir den Boost selbst ab.
3. Die Qualitätsmessung durch echtes Verhalten
Dann beginnt die entscheidende Phase: Google beobachtet jede Interaktion. Der Algorithmus unterscheidet „gute“ und „schlechte“ Klicks:
– **Gute Klicks:** Nutzer bleiben lange auf der Seite, scrollen, interagieren, kommen vielleicht sogar wieder.
– **Schlechte Klicks:** Sofortige „Bounces“, also zurück zur App oder zum Feed.  
Diese Daten stammen nicht nur aus Discover selbst, sondern auch aus Chrome, Android und anderen Google-Quellen. Wenn dein Artikel auf Social Media geteilt wird und dort für lange Sitzungen sorgt, zählt das positiv mit. Ich finde das logisch – die Grenze zwischen Traffic-Quellen verschwimmt sowieso.
Ein weiterer Punkt ist die „Blacklist Score“: Übertreibst du es mit reißerischen Headlines oder manipulativen Thumbnails, wertet Google das als Spam. Ich habe erlebt, dass Seiten dadurch komplett aus Discover verschwanden.
4. Das Feedback-Karussell
Sobald ein Beitrag sichtbar wird, beginnt eine laufende Neuberechnung: Wie oft wurde er eingeblendet, wie oft geklickt, wie oft abgelehnt? Das betrifft auch direkte Reaktionen von Nutzern („kein Interesse“, „nicht zeigen“). Negatives Feedback kann die Reichweite in kürzester Zeit halbieren.
Dieses Kreislaufsystem bedeutet: Discover ist nie „fertig“. Ein Artikel lebt so lange, wie sein Engagement stabil bleibt. Fällt es unter einen Schwellenwert, wird der Slot automatisch durch neuen Content ersetzt.
Wenn du das weißt, kannst du gezielt nachsteuern. Wenn ein Beitrag anfangs gut läuft, aber nach zwei Tagen einbricht, lohnt sich es, ihn leicht anzupassen – etwa den Titel zu verfeinern, ein besseres Bild zu setzen oder eine relevante Zusatzinformation einzubauen.
5. Die Personalisierungsschicht
Hier kommt der Teil, den viele unheimlich finden: Google analysiert jedes Nutzerprofil, um Interessenmodelle zu bilden. Diese „Vectors“ verbinden Themen, Orte, Autoren, Geräte – also ein richtig dichtes Netz aus Vorlieben.
Auf Basis dieser Daten vergleicht Discover, welche Inhalte semantisch oder emotional ähnlich sind. Dazu verwendet es sogenannte „contentEmbeddings“. Wenn dein Text über ein Thema spricht, das mit dem typischen Nutzermuster eines bestimmten Clusters übereinstimmt, bekommst du Sichtbarkeit.
In der Praxis bedeutet das: Du musst klar und eindeutig in einem Themenbereich bleiben. Je präziser deine Entitäten (Personen, Marken, Orte) hinterlegt sind, desto leichter kann dich Discover passenden Gruppen zuordnen. Verschwommene Inhalte über „alles und nichts“ funktionieren kaum.
6. Die Alterung des Inhalts
Nichts lebt ewig – schon gar nicht in einem Feed, der Aktualität liebt. Sobald dein Artikel an Relevanz verliert, greift der **freshnessDecay_timer**. Das ist im Prinzip ein Ablaufdatum: Mit jeder Stunde ohne Interaktion sinkt die Wahrscheinlichkeit, erneut ausgespielt zu werden.
Dieser Effekt ist nicht schlecht, im Gegenteil: Er hält den Feed dynamisch. Wenn du aber bemerkst, dass ein Thema langfristig Potenzial hat, kannst du einen Beitrag sanft „wiederbeleben“ – etwa mit einem aktualisierten Datum oder einer erweiterten Analyse. Das interpretiert Discover als neuen Impuls.
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So setzt du die Erkenntnisse praktisch um
Über die Jahre habe ich mir eine Art 11-Punkte-Fahrplan erstellt, um Inhalte Discover-tauglich zu machen. Manche dieser Punkte wirken banal, aber in Kombination funktionieren sie erstaunlich gut.
1. Saubere Bilder und Metadaten
Verwende Bilder mit mindestens 1200 px Breite und ordentliche Open-Graph-Angaben. Discover bevorzugt große, klare Fotos gegenüber Symbolbildern oder Collagen.
2. Dein Themenkern
Analysiere mit der Search Console, in welchen Bereichen du bereits starke Signale sendest. Das können spezielle Themen, Personen oder Sektoren sein. Wenn du in Politik top performst, bleib dabei – lieber Tiefe als Breite.
3. Veröffentliche Wert, keinen Lärm
Discover honoriert Leserbindung, nicht Klickköder. Seiten, die versuchen, mit Übertreibung Reichweite zu erzwingen, verschwinden langfristig aus dem System.
4. Schnelligkeit im Newszyklus
Wenn du News-Coverage machst, zählt Timing. Wer zuerst veröffentlicht, bekommt oft den initialen Schub. Bist du zu spät, musst du Zusatznutzen bieten – z. B. Analysen, Daten oder Meinungen.
5. Entitäten klar machen
Definiere präzise, über wen oder was dein Artikel spricht. Nutze strukturierte Daten, eindeutige Namen und saubere interne Verlinkung. Keine vagen Überschriften wie „Er tat es schon wieder“, sondern konkrete Bezüge.
6. Den OG-Titel bewusst wählen
Der sogenannte „Open Graph Title“ – meist für Social Media – wird von Discover häufig übernommen. Nutze ihn strategisch: neugierig machend, aber nicht unseriös.
7. Früh Aufmerksamkeit erzeugen
Der Algorithmus schaut auf das Verhältnis zwischen erwarteter und tatsächlicher Performance. Wenn ein Beitrag sich nach Veröffentlichung überdurchschnittlich verbreitet (z. B. über Newsletter oder Twitter), erkennt Google ihn als „entdeckenswert“.
8. Technisch sauber arbeiten
Pagespeed, Sicherheit und ein dezenter Umgang mit Werbung sind Pflicht. Nutzer, die in den ersten Sekunden abbrechen, zerstören direkt deine Kennzahlen.
9. Interne Verlinkung für Discover-Besucher
Besucher aus dem Feed verhalten sich anders als Suchnutzer. Führe sie mit klaren „Weiterlesen“-Sektionen oder personalisierten Empfehlungen tiefer in deine Seite. Das verlängert die Sitzungen erheblich.
10. Konversion smart denken
Da Discover eher Freizeit-Traffic liefert, braucht es niedrigschwellige Ziele: Newsletter, Benachrichtigungs-Opt-ins oder Branding. Große Kauf-CTAs funktionieren selten.
11. Beobachten und wiederholen
Bewahre erfolgreiche Artikel als Vorlage. Manche Themen kannst du jährlich auffrischen. Aktualisierung zählt für Discover wie ein neues Signal – aber mit altem Vertrauenskredit.
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Zwischen Zeilen: Warum Google das alles tut
Wenn man tiefer gräbt, erkennt man ein einfaches Muster: Discover ist Googles Versuch, eine eigene Social-Content-Schleife zu etablieren. Nutzer sollen gar nicht erst zu Facebook, Reddit oder Nachrichten-Apps wechseln. Alles spielt sich im Google-Ökosystem ab – auf Android, in Chrome, auf der Startseite.
Dieses System basiert auf drei Prinzipien:
1. Aufmerksamkeit halten. Je länger du innerhalb „Google-Lands“ bleibst, desto mehr Anzeigen sehen dich.
2. Präzision verbessern. Je besser der Algorithmus dich kennt, desto profitabler wird jede Impression.
3. Datenrückfluss. Discover liefert Google wahnsinnig viel Interaktionsfeedback, das wieder in die klassische Suche zurückfließt.  
In gewisser Weise ist Discover also ein Labor für die Suchergebnisse der Zukunft. Die Grenzen zwischen Feed, Video und Suchanzeige verschwimmen bereits.
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Ein paar praxisnahe Learnings
Manchmal ist es überraschend, wie wichtig Kleinigkeiten sind. Beispiel: Ich habe bei einem Kunden bloß das Standard-Meta-Bild auf 1280 px Breite erhöht – sofort sprang der Discover-Traffic um fast 30 %.
Oder: Artikel mit namentlich bekannten Personen schneiden generell besser ab. Die Kombination aus Entität (z. B. „Elon Musk“) und Emotion („plant wieder Überraschung“) hat den Algorithmus sofort getriggert – natürlich ohne ins Clickbait abzurutschen.
Andererseits scheitern Beiträge mit unscharfen Überschriften oder zu generischen Themen fast immer, egal wie hochwertig der Inhalt ist. Discover braucht klare Ankerpunkte und visuelle Reize. Wenn du wie ein Magazin denkst – aber mit der Disziplin eines SEO – liegst du richtig.
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Fazit
Google Discover ist kein Zufallsgenerator, sondern ein lernendes System, das auf Vertrauen, Relevanz und Verhalten basiert. Wer es klug angeht, kann enorme Reichweite erzeugen, ohne die eigenen Werte zu verkaufen.
Kurz gefasst:
– Vertrauen ist das Eintrittsticket.
– Engagement entscheidet über die Lebensdauer.
– Klare Themenführung und sichtbare Autorität geben Stabilität.
– Aktualität hält die Maschine am Laufen.
Wenn du das nächste Mal überlegst, warum ein Artikel plötzlich in Discover durch die Decke geht, denk daran: Es ist kein Hexenwerk. Es ist schlicht eine Summe aus vielen kleinen, sauberen Schritten – und einem Verständnis dafür, was Menschen wirklich interessiert, wenn sie gerade irgendwo im Zug durch ihr Handy scrollen.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
