Das Urteil gegen Google im großen US-Kartellverfahren hat nicht das große
Erdbeben ausgelöst, das viele erwartet hatten – es gibt keinen
erzwungenen Verkauf von Chrome oder Android, keine Nutzer-„Choice
Screens“ wie damals bei Microsoft. Stattdessen hat das Gericht eine Serie
von Auflagen verhängt, die über Jahre hinweg bestimmen werden, wie
Suchmaschinen, Datenzugang und der Wettbewerb mit KI-Assistenten laufen.
Diese Änderungen betreffen dich direkt – als Internetnutzer, Marketer, SEO
oder Publisher. Denn sie werden entscheiden, wie Suchanfragen verteilt
werden, welche Plattformen den meisten Traffic ziehen und wie AI-basierte
Assistenten überhaupt mit Inhalten interagieren.
Die Vorgeschichte: Warum es zum Verfahren kam
Der US-Justizapparat und mehrere Bundesstaaten hatten Google vorgeworfen,
seine Monopolstellung mit Milliarden-Deals abgesichert zu haben. Über
Verträge mit Apple, Samsung oder Mobilfunkanbietern wurde Google zum
Standard und verhinderte, dass Nutzer frei konkurrierende Suchdienste
wählten. Das Gericht bestätigte 2024: Google ist ein Monopolist,
der aktiv versucht hat, seine Stellung zu verteidigen. Damit war klar:
Strafen und Auflagen würden kommen – die Frage war nur, wie hart.
Die Entscheidung des Gerichts
Am 2. September 2025 wurden die Auflagen offiziell: keine Spaltung des
Unternehmens, aber tiefgreifende Änderungen in den Bereichen
Standard-Suche, Datenzugang und Verträge.
-
Exklusivverträge sind verboten. Weder Browser noch
Handy-Hersteller oder Netzbetreiber dürfen Google mehr allein als
Voreinstellung führen. -
Zahlungen bleiben erlaubt. Google darf weiterhin Milliarden
zahlen, um etwa auf Safari präsent zu sein – nur eben nicht exklusiv. -
Daten- und Index-Zugang. Google muss Teile seines Index und
Interaktionsdaten mit Wettbewerbern teilen. Die Anzeigendaten bleiben
jedoch außen vor. - Keine Zerschlagung. Chrome und Android bleiben im Konzern.
-
Sechs Jahre Kontrolle. Ein technisches Komitee wird die
Umsetzung überwachen.
Reaktionen des Marktes
Investoren atmeten spürbar auf: Die Aktie von Alphabet sprang nachbörslich
um rund acht Prozent, Apple ebenfalls deutlich. Der Grund: Das
Kerngeschäft bleibt intakt, aber das „einfache Abkassieren über
Exklusivität“ ist Geschichte.
Was sich strategisch ändert
1. Defaults werden zum Marktplatz
Früher konnte Google sich auf feste Verträge verlassen. Ab jetzt können
Apple, Samsung oder Mozilla mit mehreren Anbietern parallel Deals machen.
Safari etwa könnte künftig Google, Bing und OpenAI gleichzeitig prominent
platzieren – bezahlt wird dann in einem Auktionsmodell.
2. Datenzugang erleichtert den Einstieg neuer Spieler
Besonders für Start-ups oder KI-basierte Suchmodelle ist es enorm teuer,
das komplette Web zu crawlen. Mit Google-Index-Daten steigen ihre Chancen.
Dennoch: Ohne Werbedaten und Ranking-Geheimnisse bleibt ein
Qualitätsabstand.
3. KI-Assistenten übernehmen zunehmend
Copilot, Gemini, Perplexity und andere Tools zeigen, dass Nutzer nicht
mehr zwingend eine Liste von Links wollen – sondern direkte Antworten.
Damit verschiebt sich der Fokus: Wer den Assistenten besitzt,
kontrolliert den Zugang der Nutzer.
4. Finanzielle Belastungen wachsen
Google muss künftig noch höher zahlen, um attraktiv zu bleiben. Die
sogenannten Traffic Acquisition Costs (TAC) steigen damit. Für
Werbetreibende könnten höhere Anzeigenpreise folgen.
5. Zweite Front: Der Adtech-Prozess
Zusätzlich läuft ein Verfahren gegen Googles Werbe-Technologien. Sollte
dies strukturelle Änderungen bringen, stünden sowohl Suchanzeigen als auch
Publisher-Modelle vor einem Umbruch.
Was erwartet dich konkret?
-
Mehr Wettbewerb um Suchstandard-Plätze – Safari oder Android könnten
mehrere Slots gleichzeitig verkaufen. -
Neue Werbemöglichkeiten – Bing Ads, Copilot Ads und
KI-gestützte Anzeigenmärkte gewinnen an Relevanz. -
SEO-Inhalte müssen Assistenten-tauglich sein. Kurz, zitierbar,
mit sauberem Schema Markup. -
Tracking wird komplexer, weil KI-Assistenten Klickpfade
verschleiern. Deshalb brauchst du stabile Datenmodelle.
Mögliche Szenarien bis 2030
-
Base Case: Google hält noch immer rund 85–88 % Marktanteil, aber
muss mehr Geld für Defaults zahlen. Gewinnmargen sinken, Marktanteile
nur leicht rückläufig. -
Rivalen steigen auf: Sollten Bing oder OpenAI attraktive
Assistenten integrieren, könnten zusammen 5–10 % Marktanteil abgezogen
werden. Besonders stark in Nischen. -
Regulatorische Kettenreaktion: Falls Werbemarkt-Trennung
beschlossen wird, folgt mehr Fragmentierung – noch mehr Wettbewerb,
höhere Kosten für Werbetreibende, neue Chancen für Nischenanbieter.
Praktische Tipps für dich als Marketer
- Baue Diversifikation in deine Traffic-Strategie ein.
-
Entwickle Content, der leicht von KI-Assistenten zitiert werden
kann. -
Plane bei Budgets mit, dass Bing & Co. möglicherweise relevanter
werden. -
Schaffe Attributionsmodelle, die auch ohne klare Klickpfade
funktionieren.
Fazit
Das Gericht hat bewusst kein radikales Urteil gesprochen und Google nicht
zerschlagen. Stattdessen zwingt es den Konzern, sich einem offeneren Markt
zu stellen. Damit wird es ungemütlicher für Google – und spannender für
dich. Denn für dich als Nutzer, Publisher oder Marketer bedeutet es:
mehr Optionen, mehr Chancen, mehr Unsicherheit. Wenn du klug bist,
nutzt du diese Zeit, um deine Strategien zu diversifizieren – sowohl in
SEO und SEA als auch bei KI-Content-Optimierung. Der Wettbewerb um
Sichtbarkeit im Netz startet gerade erst neu.