Google Maps hat kürzlich eine Funktion eingeführt, mit der du Bewertungen unter einem Spitznamen statt unter deinem echten Namen schreiben kannst. Klingt banal, ist es aber nicht – denn es verändert ein Stück weit, wie Menschen ihre Erfahrungen im Netz teilen. Ich finde, das ist ein Schritt, der über Privatsphäre hinausgeht – es hat auch mit Vertrauen, Identität und Authentizität zu tun. In den folgenden Abschnitten erfährst du, was sich geändert hat, welche Auswirkungen das Ganze auf Bewertungen und Spam-Schutz hat und warum das für Marken, lokale Unternehmen oder einfach für dich als Nutzer spannend sein könnte.
Ein neuer Umgang mit Identitäten in Google Maps
Bislang war es so, dass Rezensionen auf Google Maps unter dem echten Namen deines Google-Kontos veröffentlicht wurden. Viele haben sich deshalb gescheut, ehrliche oder kritische Bewertungen zu schreiben – niemand möchte etwa mit seinem vollständigen Namen eine schlechte Erfahrung beim Zahnarzt kommentieren. Nun erlaubt Google endlich das, was viele schon lange informell praktiziert haben: du kannst ein eigenes öffentliches Profil mit einem Spitznamen und einem beliebigen Profilbild für Google Maps anlegen.
Wenn du diese Einstellung aktivierst, erscheinen künftig alle deine Beiträge, Fotos oder Antworten auf Fragen in Google Maps und in der Google-Suche unter diesem neuen Namen. Interessant ist, dass Google dabei nicht zwischen Vergangenheit und Gegenwart unterscheidet – wenn du den Spitznamen später änderst, ändert sich dein Name auch bei bereits verfassten Rezensionen.
Ich erinnere mich noch, als Nutzer in Foren oder Bewertungsportalen mit Klarnamen posten mussten – viele Beiträge waren auffallend zurückhaltend. Irgendwann verstanden Plattformen: Menschen verhalten sich offener, wenn sie Kontrolle über ihre öffentliche Identität haben. Google scheint diesen Schritt jetzt auch offiziell nachvollzogen zu haben.
Wie du dein Pseudonym aktivierst
Die Option findest du in deinem Google Maps Profil. Dort kannst du auswählen, ob du als „Realname“-Konto oder unter einem frei gewählten Spitznamen auftreten möchtest. Auch ein Profilbild lässt sich hinzufügen, das unabhängig von deinem Google-Account ist. Diese Einstellung greift auf allen öffentlichen Oberflächen – also nicht nur in der Kartenansicht, sondern auch bei Google-Suchergebnissen, bei Bildern oder kleinen Info-Karten zu Orten.
Wer neugierig ist: Das Ganze ist bereits weltweit für Android, iOS und Desktop im Rollout. Wenn du die Funktion heute noch nicht siehst, lohnt sich ein Blick ein paar Wochen später – Google rollt solche Features meist schrittweise aus.
Mir gefällt, dass das Unternehmen diesen Schritt dokumentiert und offiziell anbietet, statt wie früher halboffizielle Wege zu dulden (z. B. das Anlegen eines zweiten Google-Kontos unter anderem Namen).
Was das für Transparenz und Spam bedeutet
Natürlich kam schnell die Frage auf: Wird das Tür und Tor für Fake-Bewertungen öffnen? Laut Google nicht – denn die Bewertungen bleiben technisch weiterhin an ein echtes Konto gebunden. Es handelt sich also um „pseudonyme“ und nicht völlig anonyme Bewertungen. Du bist in der öffentlichen Ansicht ein Spitzname, aber intern weiß Google genau, welches Konto dahintersteht. Das bedeutet: Wenn du die Richtlinien verletzt oder systematisch täuschende Bewertungen abgibst, kann Google dein Konto genauso sperren wie bisher.
Die bestehenden Spam- und Vertrauensfilter gelten also weiter. Unternehmen können unangemessene oder beleidigende Bewertungen weiterhin melden. Nur der Name, der außen sichtbar wird, ist anders.
Ein bisschen erinnert das Ganze an den Wechsel, den Reddit oder Discord schon vor Jahren vollzogen haben – Plattformen, die Nutzer mit wiedererkennbaren Profilen arbeiten lassen, ohne ihre reale Identität offenzulegen. Google verabschiedet sich damit ein Stück weit von seinem alten Anspruch, dass Bewertungen nur glaubwürdig seien, wenn der echte Name erscheint.
Ich persönlich finde das sinnvoll. Die Zeiten, in denen Anonymität automatisch Misstrauen bedeutete, sind vorbei. Heute zählt Konsistenz: Wenn jemand regelmäßig gute, differenzierte Rezensionen schreibt, vertrauen andere diesem Spitznamen – egal, ob dahinter „Sarah“ oder „Wanderlust_92“ steht.
Mehr Stimmen für sensible Branchen
Spannend ist, was das für bestimmte Branchen bedeutet. Viele Kundinnen und Kunden von Ärzten, Anwälten, Therapeuten oder Finanzdienstleistern wollten schon immer gerne Bewertungen schreiben, zögerten aber, weil sie ihre Identität nicht preisgeben wollten.
Mit der neuen Möglichkeit könnten genau diese Stimmen sichtbarer werden. Vielleicht bekommst du in Zukunft in der Suche ein realistischeres Bild davon, wie Patientenerfahrungen oder Kanzleibewertungen wirklich ausfallen. Insofern stärkt dieser Schritt die Vielfalt in den Bewertungen.
Wer im Marketing oder im Local SEO arbeitet, sollte den Punkt ernst nehmen. Wenn du regelmäßig deine Kundschaft um Rezensionen bittest, kannst du das direkt ansprechen – etwa mit dem Hinweis: „Du kannst jetzt auch mit deinem Google-Spitznamen bewerten, falls du anonym bleiben möchtest.“ Das klingt unscheinbar, kann aber eine deutlich höhere Rücklaufquote bedeuten.
Technisch bleibt alles beim Alten – fast
Hinter den Kulissen ändert sich weniger, als man denkt. Google speichert die Verbindung zwischen Spitznamen und Konto intern weiter ab. Das wertet der Algorithmus aus, um Muster von gefälschten Rezensionen zu erkennen. Bewertungen fließen also weiterhin ins Ranking von Orten ein, allerdings ohne dass andere sehen, wer genau geschrieben hat.
Das System der „Local Guides“ – also jener Nutzer, die durch häufige Beiträge Punkte und Abzeichen sammeln – bleibt ebenfalls erhalten. Deine Punkte zählen weiter, egal, ob du unter Klarnamen oder Spitznamen postest.
Auch interessant: Bearbeitest du später dein Pseudonym oder dein Profilbild, aktualisieren sich frühere Beiträge automatisch. Das zeigt, dass Google offensichtlich alle diese Informationen dynamisch verknüpft und nicht fest in der Bewertung speichert.
Mir gefällt dieser Ansatz, weil er verhindert, dass alte Bewertungen mit veralteten oder unpassenden Pseudonymen sichtbar bleiben. Gleichzeitig gibt dir das als Nutzer die Möglichkeit, dein Auftreten über die Zeit zu ändern, ohne dass du dein Beitragssystem verlierst.
Wie sich das auf das Vertrauen in Reviews auswirken wird
Hier habe ich gemischte Gefühle. Auf der einen Seite ermöglicht der Schritt mehr Beiträge, weil Menschen sich sicherer fühlen. Auf der anderen Seite könnte es schwieriger werden, Authentizität einzuschätzen – gerade dann, wenn viele Profile Namen wie „BurgerFan123“ oder „NightOwl“ tragen.
Aber – und das zeigen Erfahrungen von Plattformen wie TripAdvisor oder Booking – die Qualität einer Rezension hängt weniger vom echten Namen ab als vom Inhalt. Wenn jemand eine fundierte, detaillierte Rezension schreibt, Hinweise gibt und sachlich bleibt, dann wirkt das glaubwürdiger als jede Signatur.
Es wird daher wichtiger, wie Google künftig Rezensentenprofile strukturiert. Vielleicht sehen wir demnächst Kennzeichnungen wie „hat bereits 45 Rezensionen abgegeben“ oder „Level 7 Local Guide“. Das schafft ein Gefühl von Historie, selbst wenn der Name pseudonym ist.
Eine interessante Nebenwirkung könnte sein, dass professionelle Rezensenten – also Agenturen, die im Auftrag schreiben – es schwerer haben, glaubwürdige Identitäten aufzubauen. Wenn Google mehr Wert auf Aktivitätshistorie legt, wird ein frisch erstelltes Pseudonym kaum Vertrauen gewinnen, egal wie nett der Spitzname klingt.
Ein Balanceakt zwischen Privatsphäre und Verantwortung
Das Spannungsfeld bleibt: Wie viel Anonymität ist gut fürs Vertrauen? Google löst das clever durch Pseudonyme – du schützt deine Privatsphäre, ohne die Nachverfolgbarkeit aufzugeben.
Es erinnert mich ein wenig an den alten Community-Gedanken des Internets, bei dem man Nicknames hatte, die man über Jahre pflegte. In Foren bedeutete „Dragonfly“ oder „AlexB42“ etwas – man kannte den Stil dieser Person. Wenn das in der lokalen Suche wieder so funktioniert, könnte es sogar zu einer Art Rückbesinnung führen: weg vom glatten Klarnamen, hin zu individuellen Stimmen.
Allerdings ist noch offen, wie viele Nutzer die Einstellung wirklich aktivieren werden. Menschen sind oft träge, wenn es um neue Funktionen geht. Viele dürften weiterhin ihre Standardidentität behalten. Es wird also wohl eine Übergangszeit geben, in der beide Formen parallel sichtbar sind.
Ich habe selbst ein bisschen getestet: Das Umstellen geht schnell, das neue Profil ist innerhalb weniger Sekunden aktiv. Etwas irritiert war ich allerdings davon, dass Google in manchen Fällen noch beide Namen in der Accountverwaltung zeigt – die Oberfläche wirkt anfangs etwas unübersichtlich. Es braucht sicher ein paar Updates, bis das Ganze reibungslos läuft.
Ausblick: Neue Möglichkeiten für Unternehmen
Für lokale Unternehmen – Restaurants, Ärzte, Handwerker – ist das eine gute Nachricht. Mehr Menschen werden sich trauen, ihre Meinung zu äußern. Gleichzeitig müssen Betriebe sich noch stärker mit Feedback auseinandersetzen, weil der Strom der Bewertungen vermutlich zunimmt.
Mein Tipp an Unternehmen:
• Beobachte, ob deine Durchschnittsbewertung sich verändert, sobald mehr „anonyme“ Rezensionen hinzukommen.
• Antworte weiterhin höflich und professionell – auch wenn dir der Spitzname des Kunden kindisch vorkommt. Eine freundliche, sachliche Reaktion überzeugt künftige Leser.
• Weise ruhig darauf hin, dass alle Rezensionen auf Ehrlichkeit beruhen müssen, egal unter welchem Namen sie erscheinen.
Und falls du in Marketing- oder Agenturarbeit tätig bist: Prüfe deine Vorlagen, Mails oder Bewertungslinks – vielleicht lohnt sich ein Hinweis auf das neue Feature, um die Hemmschwelle deiner Kunden zu senken.
Mein Fazit
Ganz ehrlich: Ich halte die Neuerung für überfällig. Sie ist weniger spektakulär, als manche Schlagzeilen suggerieren, aber der psychologische Effekt ist enorm. Menschen haben ein fundamentales Bedürfnis nach Kontrolle darüber, wie sie online wahrgenommen werden.
Indem Google erlaubt, diese Kontrolle zurückzugewinnen, wird das Bewertungssystem vermutlich authentischer – nicht, weil man endlich „ehrlicher“ schreibt, sondern weil man sich wohler fühlt, die eigenen Erfahrungen zu teilen.
Klar, es wird auch hier Missbrauch geben – das liegt in der Natur des Internets. Doch Google hat genug Erfahrung mit maschinellem Erkennen von Mustern, um Manipulationen zu minimieren. Wichtig ist, dass der Konzern den Schritt dokumentiert hat und offen kommuniziert, statt heimlich an Profilfunktionen zu schrauben.
Vielleicht wirst du bald viel mehr kreative Spitznamen in den Bewertungsfeeds sehen, und das ist völlig in Ordnung. Solange Inhalte nützlich bleiben und Erfahrungen ehrlich beschrieben werden, ist jeder Nickname willkommen.
So gesehen ist diese Funktion kein Rückschritt in Sachen Transparenz – sie ist eine neue, erwachsenere Form davon: offen für Vielfalt, sensibel für Privatsphäre und trotzdem verlässlich. Und vielleicht ist das genau die Art digitaler Identität, die wir 2026 brauchen.