Wenn du dich schon länger mit SEO beschäftigst, ist dir sicher der Begriff Keyword Cannibalization (auf Deutsch: „Keyword-Kannibalisierung“) begegnet. Spannend ist, wie sehr dieser Ausdruck zu einem Buzzword geworden ist – fast so, als sei es eine Bedrohung, die sofort gelöst werden muss. Doch die Wahrheit ist meistens deutlich unspektakulärer. Genau darüber gab es jüngst eine Diskussion, in der ein Vertreter von Google eine klare Position bezogen hat – und die lohnt sich genauer anzusehen.
Was sich hinter „Keyword-Kannibalisierung“ verbirgt
Manchmal taucht dieselbe Website mit mehreren Unterseiten zu einem identischen Suchbegriff in den Suchergebnissen auf. Schon wird bei SEOs die Alarmglocke geläutet: „Unsere Seiten kannibalisieren sich!“ Der Begriff impliziert, dass sich die eigenen Inhalte gegenseitig bekämpfen, an Sichtbarkeit verlieren oder gar dafür sorgen, dass keine Seite richtig rankt.
Doch so simpel ist das nicht. Ein Problem entsteht nicht automatisch dadurch, dass zwei Unterseiten für ähnliche Suchbegriffe ranken. Im Gegenteil – es kann sogar vorteilhaft sein. Stell dir vor, du führst einen Onlineshop für Küchenzubehör: Bei „Käsemesser kaufen“ darf ruhig deine Produktkategorie erscheinen, und gleichzeitig bei „Käsemesser Test“ dein Blogartikel. Das ist nicht gegenseitige Konkurrenz, das ist Serienabdeckung – du bietest dem Nutzer mehrere mögliche Antworten.
Das eigentliche Problem liegt oft tiefer: Inhalte sind zu breit, unscharf oder schwach intern verlinkt. Dann ranken die Seiten schlecht, und anstatt ehrlich nach der Ursache zu suchen, wird mit dem Schlagwort „Cannibalization“ eine bequeme Erklärung gefunden. Ein bisschen wie ein Arzt, der bei jedem Symptom einfach „Stress“ sagt.
Die typische SEO-Verwirrung
In letzter Zeit hat Google ein paar technische Änderungen vorgenommen, die für Missverständnisse gesorgt haben. Manche Tracking-Tools konnten plötzlich nicht mehr die gewohnten 100 Suchergebnisse scannen. Sofort dachten einige SEOs, Google selbst würde weniger Daten aus der Search Console anzeigen. Das war aber schlicht ein Irrtum. Google filtert deine eigenen Daten nicht – die Tools hatten bloß technische Limits. Und so schleicht sich eine Verwechslung an, die dann schnell zu Vermutungen führt: „Wir sehen nur noch Positionsdaten bis Platz 20, also kannibalisieren sich meine Seiten?“ Absurd, aber diese Umwege passieren erstaunlich oft.
Mehrere Seiten zum gleichen Begriff – wirklich schlimm?
Die klare Antwort lautet: Nein. Wenn zwei, drei oder gar mehr Seiten deiner Domain zu einem Suchbegriff auftauchen, dann ist das per se nichts Negatives. Stell dir die Google-Suchergebnisse wie eine Einkaufsstraße vor: Steht deine Marke mit mehreren Schaufenstern nebeneinander, dann ist das Präsenz, nicht Selbstsabotage.
Natürlich gilt auch hier: Es macht keinen Sinn, identische Inhalte auf fünf Subpages aufzublasen. Aber verschiedene Blickwinkel – Ratgeber, Produktseite, Erfahrungsbericht – sind aus Nutzersicht wertvoll. Und genau das sollten wir stärker im Blick behalten: Nicht ob Seiten gleichzeitig ranken, sondern ob sie auf eine sinnvolle Art ein Bedürfnis abdecken.
Beispiele aus der Praxis
Ich erinnere mich an einen Kunden aus der Reisebranche. Er hatte Furcht, weil sowohl die allgemeine Landingpage „Reisen nach Italien“ als auch einzelne Unterseiten „Toskana Rundreise“ und „Rom Städtetrip“ zu ähnlichen Begriffen auftauchten. Er fürchtete Kannibalisierung. In Wahrheit war das großartig – seine Reichweite war breiter, und je nach Suchintention passte eine andere Seite. Hätte er alles auf eine „Italien-Seite“ gedrückt, wären viele feine Nuancen verloren gegangen.
Die echten Ursachen schlechter Rankings
Wenn Inhalte nicht ranken, liegt es meist nicht an Kannibalisierung, sondern an:
- Überladung: Seiten sind so lang, dass sie in 15 verschiedene Richtungen laufen, statt ein klares Thema zu bedienen.
- Themenfremde Abschnitte: Inhalte schweifen ab, sind nicht auf die ursprüngliche Suchintention zugeschnitten.
- Interne Vernachlässigung: Wichtige Seiten sind nicht richtig innerhalb der Website verlinkt.
- Dünner Content: Artikel bestehen nur aus 200 Wörtern ohne Substanz.
- Kopien: Texte sind faktisch Duplikate anderer Unterseiten.
Wenn solche strukturellen Probleme ignoriert werden, hilft das Gerede über Keyword-Kannibalisierung null weiter. Es ist im Kern ein Ablenkungsmanöver und verhindert, dass man echte Ursachen findet.
Meine persönliche Einschätzung
Mal ehrlich: Der Begriff „Cannibalization“ klingt dramatischer, als die Realität ist. Viele SEOs lieben einfache Labels. Es ist leichter zu sagen „Du hast Kannibalisierung“ als sich in die Details der Seitenstruktur einzuarbeiten. Ich möchte dir raten: Schau dir deine Inhalte immer durch die Brille eines Nutzers an. Frag dich: Würde ich auf diese Seite klicken? Ist sie klar, hilfreich, konkret? Oder stolpere ich durch leere Floskeln und zusammengeklaubte Abschnitte?
Wenn du dich darauf konzentrierst, ein starkes, fokussiertes Hauptangebot zu gestalten und drumherum ergänzende Inhalte logisch zu verlinken, lösen sich angebliche Kannibalisierungsprobleme von alleine auf. Solche Diskussionen verschwinden, sobald man ehrlich in die Inhalte schaut.
Fazit
Die ganze Debatte um Keyword-Kannibalisierung sagt weniger über Google aus, als über die Denkweise in der SEO-Szene. Wir Menschen lieben einfache Muster: zwei Seiten – ein Schlüsselwort – Problem. Aber die Realität ist dynamischer. Zwei Seiten können nebeneinander existieren, ohne sich zu schaden. Ja, es kann sogar deine Chancen verstärken.
Mein Tipp an dich: Verschwende keine Energie in das Jagen dieses Phantomproblems. Richte deinen Fokus lieber auf klare Themenführung, interne Verlinkung, Substanz und Nutzerintention. An diesen Stellen entscheidet sich am Ende, ob du in den Suchergebnissen erfolgreich bist. Keyword-Kannibalisierung ist oft nur ein Schatten, der verschwindet, sobald du das Licht darauf richtest.