In den letzten Jahren ist unübersehbar, wie stark sich das Zusammenspiel von künstlicher Intelligenz und klassischer Suchmaschinenoptimierung verändert hat. Dass ein traditionsreiches SEO-Unternehmen wie Surfer nun vom französischen Technologiekonzern Positive übernommen wird, passt genau in dieses Bild: Die Grenzen zwischen SEO, Content‑Optimierung, Datenmanagement und automatisiertem Marketing verschwimmen zunehmend. Ich betrachte diesen Schritt als Teil einer größeren Bewegung – hin zu ganzheitlichen, KI‑gestützten Marketingplattformen, die jede Phase der digitalen Sichtbarkeit abdecken.
Die Akquisition als Signal für den Wandel im SEO‑Markt
Surfer, bekannt für seine datengestützten Tools zur Content‑Optimierung, wurde 2017 gegründet und hat sich schnell einen Namen gemacht. Das Besondere daran war von Anfang an, wie stark die Plattform mit semantischen Sprachmodellen arbeitete. Statt pauschal Keywords zu zählen, analysieren die Tools, wie Suchmaschinen und KI‑Assistenten Inhalte „verstehen“ – also nicht mehr nur, ob etwas vorkommt, sondern in welchem Kontext. Genau das ist heute entscheidend, da Suchergebnisse zunehmend durch KI‑Antwortsysteme geprägt werden.
Positive, das neue Mutterunternehmen, hat in den letzten fünf Jahren einen beachtlichen Wachstumssprung hingelegt: von rund 50 auf über 250 Mitarbeiter, verteilt auf verschiedene SaaS‑Lösungen für CRM, E‑Mail‑Signaturen und Marketingautomatisierung. Der jährliche Umsatz soll bis 2025 auf etwa 70 Millionen Euro steigen. Mit der Übernahme von Surfer baut Positive eine Brücke zwischen seinen bestehenden Geschäftsbereichen und dem, was man wohl als „sichtbarkeitsgetriebenes Ökosystem“ bezeichnen kann – also einer gesamtheitlichen Plattform für Markenpräsenz über Suchmaschinen, AI‑Outputs und Marketingkanäle hinweg.
Warum das Thema KI‑Suchoptimierung jetzt so brisant ist
Wenn du dich selbst im SEO‑ oder Content‑Bereich bewegst, wirst du vermutlich schon gemerkt haben, dass die klassische „Zehn‑blaue‑Links‑Logik“ in der Google‑Suche langsam verschwindet. Stattdessen präsentieren Systeme wie „AI Overviews“ oder ChatGPT Search Antworten direkt – oft ohne, dass der Nutzer überhaupt auf eine Website klickt. Für Marketer heißt das: Die Sichtbarkeit verlagert sich von organischen Rankings hin zu präsenten Erwähnungen und Zitaten in KI‑Antworten.
Genau hier setzt die Strategie von Surfer und Positive an. Während Positive seine Wurzeln im CRM und Marketing‑Automation‑Bereich hat, bringt Surfer das Know‑how für AI‑gestützte Content‑Konstruktion mit. Gemeinsam entsteht also ein Werkzeugkasten, der Unternehmen helfen soll, ihre Markenbotschaften über alle Berührungspunkte hinweg zu optimieren – von der Suchanfrage bis zur Kundenbindung.
Aus meiner Sicht ist das weit mehr als eine Fusion zweier Softwarefirmen. Es ist ein Fingerzeig dafür, wohin sich digitales Marketing in den kommenden Jahren entwickeln wird. KI‑getriebene Tools werden nicht nur Inhalte bewerten, sondern selbst zum Akteur in der Kommunikation zwischen Marke und Kunde.
Das neue „Full‑Funnel“-Denken
Positive nennt seine strategische Vision „Full‑Funnel Brand Visibility“. Was etwas nach Marketing‑Buzzword klingt, hat tatsächlich Substanz. Im Kern geht es darum, alle Ebenen der digitalen Sichtbarkeit zu vernetzen – vom ersten Suchimpuls über die Conversion bis hin zur wiederkehrenden Kundeninteraktion. Und AI‑basierte Optimierung spielt dabei eine Schlüsselrolle.
Die Akquisition erweitert Positives Technologie‑Portfolio in drei Richtungen:
1. **Content Intelligence** – Surfer liefert die KI‑Technologie, um Inhalte für organische Suche und generative AI anzupassen.
2. **Marketing Automation** – die Systeme von Positive steuern Kampagnen, Segmentierung und E‑Mail‑Kommunikation.
3. **Customer Experience & CRM** – durch Datenintegration lassen sich Interaktionen gezielter personalisieren.
Wenn all diese Bereiche verbunden sind, entsteht eine Art Kreislauf – Leads werden nicht nur gewonnen, sondern kontinuierlich weiterentwickelt. Ich finde, das ist eine spannende Entwicklung, weil sie das alte Silodenken zwischen SEO‑Abteilung, Marketingteam und Vertrieb aufbricht. Stattdessen orientiert man sich am tatsächlichen Nutzererlebnis entlang der gesamten Customer Journey.
Was bedeutet das konkret für bestehende Surfer‑Nutzer?
Auf operativer Ebene soll Surfer weiter eigenständig agieren, aber enger in Positives Produktlandschaft eingebunden werden. Das heißt: Wer mit Surfer arbeitet, kann künftig auf eine direkte Anbindung an CRM‑ und Automatisierungstools hoffen. Beispielsweise könnten Content‑Analysen automatisch in Kampagnenplanung einfließen oder bestimmte KI‑Erkenntnisse genutzt werden, um Marketingaktionen zu personalisieren.
Mich interessiert besonders, wie die beiden Unternehmen den Datenschutz dabei umsetzen werden. Positive hat wiederholt betont, dass alle Server in Frankreich und Deutschland stehen. In Zeiten, in denen Tools oft von globalen Cloud‑Giganten abhängig sind, ist das ein deutliches Signal – eine europäische Alternative mit Fokus auf Datensicherheit und Transparenz.
Aus Polen heraus bringt Surfer zudem einen starken US‑Kundenstamm mit, was den Growth‑Plänen von Positive zusätzlichen Schub gibt. Die Synergie ist also geografisch wie technologisch sinnvoll.
Die Stimmen der Unternehmensspitzen
Lucjan Suski, CEO von Surfer, fasst es im Grunde treffend zusammen: SEO verändere sich rasend schnell, und wer erfolgreich bleiben will, müsse die Sprache der KI‑Suche verstehen. Seine Vision ist es, Marketer in die Lage zu versetzen, in der „AI‑SEO‑Ära“ nicht nur Schritt zu halten, sondern zu gewinnen.
Die Führung von Positive – Präsident Mathieu Tarnus und CEO Paul de Fombelle – nennt künstliche Intelligenz den Kern ihres gesamten Wertversprechens. Sie sprechen offen davon, dass die Optimierung künftig nicht mehr auf traditionelle SERP‑Platzierungen abzielt, sondern darauf, wie Marken in den Antworten von Chatbots, Sprachassistenten und AI‑Systemen auftauchen. Surfer nimmt hier eine Vorreiterrolle ein, weil sein Ansatz auf maschinellem Sprachverständnis basiert und damit bereits jetzt an den Schnittpunkten zur generativen Suche arbeitet.
Solche Aussagen wirken nicht nur wie schöne Presseformeln, sondern spiegeln tatsächlich einen fundamentalen Perspektivwechsel wider. Früher ging es um Platz 1 bei Google – zukünftig geht es um die Präsenz in kontextuellen Antwortumgebungen.
Einordnung: Mehr als nur ein Deal
Ich finde, man sollte diesen Kauf nicht als isoliertes Ereignis betrachten. Vielmehr ist er Teil einer wachsenden Konsolidierung im europäischen Martech‑Sektor. Unternehmen versuchen, AI‑Komponenten in bestehende Plattformen zu integrieren, um nicht den Anschluss an US‑ und asiatische Anbieter zu verlieren. Positive positioniert sich damit an der Schnittstelle zwischen Technologie‑Unabhängigkeit, Datenschutz und Innovationskraft – ein Bereich, der in Europa immer stärker an strategischer Bedeutung gewinnt.
Mir gefällt an diesem Deal, dass er durchaus in beide Richtungen wirkt: Surfer erhält Zugang zu stabiler Infrastruktur und größeren Entwicklungskapazitäten, während Positive durch das Know‑how im Bereich semantischer Optimierung seine Produkte intelligenter machen kann. Wenn das gelingt, entsteht ein echter Mehrwert – nicht nur für die Unternehmen, sondern auch für Marketer, die bisher oft zwischen verschiedenen Tools jonglieren mussten.
Chancen und Herausforderungen
Natürlich gibt es auch Herausforderungen. Die Integration zweier Unternehmenskulturen ist nie trivial, besonders wenn sie aus unterschiedlichen Ländern und Märkten stammen. Zudem müssen beide Marken ihre jeweiligen Identitäten bewahren – Surfer sollte weiterhin als kreatives, experimentierfreudiges SEO‑Tool wahrgenommen werden, während Positive als ganzheitlicher Technologieträger fungiert. Der Erfolg hängt also auch davon ab, ob es gelingt, die technische Zusammenführung ohne Verlust der Benutzerfreundlichkeit umzusetzen.
Ein weiterer Punkt: Der AI‑Hype verleitet viele Firmen dazu, Funktionen unter dem Etikett „künstliche Intelligenz“ zu verkaufen, die in Wahrheit nur automatisierte Mustererkennung sind. Surfer scheint hier allerdings tatsächlich tiefer zu gehen – seine Content‑Engine nutzt semantische Modelle, die Analysen kontextbezogen durchführen. Sollte Positive diese Technologie geschickt in seine Suite einbauen, könnte daraus ein echter Mehrwert entstehen, weit über Schlagworte hinaus.
Ein Ausblick auf die Zukunft der SEO‑Branche
Wenn man einen Schritt zurücktritt, erkennt man, dass wir an einem Wendepunkt stehen. Klassische SEO‑Strategien werden weiterhin wichtig bleiben – technische Qualität, Backlinks, Nutzererfahrung. Aber hinzukommt eine neue Schicht: die Optimierung für KI‑Antwortsysteme. Diese generativen Modelle „lernen“ ständig aus Webinhalten und prägen, wie Produkte und Marken wahrgenommen werden. Wer diese Mechanismen versteht, kann seine Inhalte gezielt darauf ausrichten.
Ich glaube, dass in Zukunft weniger der einzelne Artikel zählt, sondern die Kohärenz einer Marke in den Trainingsdaten der großen Sprachmodelle. Positives Ansatz, Content‑Optimierung direkt mit CRM‑Daten zu verknüpfen, könnte genau hier den entscheidenden Vorteil bringen: Inhalte werden nicht nur für Suchmaschinen, sondern für gesamte Kommunikationssysteme optimiert.
Ein schönes Bild dafür ist vielleicht dieses: Früher war SEO wie Schach – man musste Googles Regeln verstehen und clever agieren. Heute ist es eher wie Konversation – du trainierst den Gesprächspartner KI darauf, wer du bist und was du zu sagen hast.
Fazit: Eine europäische Antwort auf die neue Suchwelt
Die Übernahme von Surfer durch Positive zeigt, wie Europas Technologiebranche darauf reagiert, dass KI‑gestützte Suche immer mehr Einfluss gewinnt. Sie ist auch ein Bekenntnis dazu, digitale Innovation mit Datenschutz und lokalem Unternehmertum zu verbinden – ein Thema, das in einem Markt, der von US‑Plattformen dominiert wird, nicht unterschätzt werden darf.
Für Marketingverantwortliche heißt das: Die Werkzeuge werden mächtiger, aber auch komplexer. Es reicht nicht mehr, nur Keywords zu analysieren. Du musst verstehen, wie künstliche Intelligenz Inhalte interpretiert, welche Signale sie aufnimmt und wie du deine Markenbotschaft systematisch in dieses Ökosystem einspeist.
Ich persönlich sehe in Deals wie diesem ein gutes Zeichen – dass Innovation nicht zwangsläufig bedeutet, die Kontrolle über Daten oder Werte zu verlieren, sondern dass Technologie und Strategie auch in Europa gemeinsam Fortschritte erzielen können.
Vielleicht ist das der eigentliche Kern dieser Geschichte: Surfer und Positive wollen nicht einfach ein weiteres SEO‑Tool bauen, sondern eine neue Art, Marke und Maschine miteinander sprechen zu lassen – über alle Kanäle, Sprachen und Algorithmen hinweg. Und das ist, wenn man ehrlich ist, genau die Art von Vision, die unsere Branche in den kommenden Jahren dringend braucht.