Wie Marken in der Ära der KI-Suche sichtbar bleiben: Von AIOs, LLMs & neuen SEO-Spielregeln
Die vergangenen Monate haben das Fundament des Suchmaschinenmarketings erschüttert. Künstliche Intelligenz hat nicht nur verändert, wie Menschen suchen, sondern auch, wie Suchmaschinen antworten. Das betrifft nicht nur Google – jede Plattform, die mit Sprache oder generativer KI arbeitet, formt eine neue Realität für Marken.
Ich habe selbst lange gebraucht, um zu verstehen, was diese Transformation im Detail bedeutet, und noch länger, um daraus handfeste Strategien für Unternehmen abzuleiten.
Es geht nicht mehr nur um „Position 1“ in den klassischen Ergebnissen. Sichtbarkeit in der KI-Suche folgt neuen Regeln. Wenn du also das Gefühl hast, dass deine Klickzahlen sinken, obwohl du überall sichtbar bist – du bist nicht allein.
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Wenn Impressionen steigen, aber Klicks einbrechen – das „Great Decoupling“
Etwas Ungewöhnliches passiert in vielen Google-Konten: Die Impressionen steigen, während die Klicks sinken.
Diese Trennung – manche nennen sie „das große Auseinanderdriften“ – ist ein Paradebeispiel dafür, wie KI-Antworten („AI Overviews“) Nutzerströme verändern. Die Algorithmen liefern so viele Antworten direkt in den Suchergebnissen, dass Nutzer gar nicht mehr klicken müssen.
Ein schönes Beispiel: Ein Nutzer sucht „Wie funktioniert SEO in der KI-Suche?“ – früher landete er wahrscheinlich auf einem Blog oder einem Whitepaper. Heute bekommt er eine KI-generierte Zusammenfassung mit Zitaten aus verschiedenen Quellen – oft ohne, dass diese Seiten überhaupt angeklickt werden.
In vielen Branchen sieht man denselben Trend:
Mehr Sichtbarkeit, weniger Besucher.
Wenn man es nüchtern betrachtet, ist das kein Trafficverlust, sondern ein Wandel des Nutzerverhaltens. Impressionen zeigen weiterhin Wirksamkeit einer Marke – aber der Klick als Erfolgskennzahl verliert Gewicht.
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Platz 1 ist nicht mehr, was er war
Früher war der erste Platz bei Google der goldene Thron. Heute teilen ihn sich Menschen und Maschinen.
Neue Analysen zeigen: AI Overviews erscheinen inzwischen bei fast jedem fünften Suchergebnis, das an erster Position gerankt wird. Das heißt, selbst wenn du technisch „Nummer 1“ bist, steht über deinem Ergebnis oft eine KI-Zusammenfassung – und die bekommt die Aufmerksamkeit.
Noch härter trifft es die „informationalen“ Suchen, also Fragen und Recherchen im oberen Funnel. Dort sinkt der organische Anteil am ersten Platz besonders deutlich.
In meinen Projekten sehe ich teilweise Verluste von 40–50 % an organischem Traffic in diesen Bereichen – obwohl die Rankings konstant bleiben.
Das zeigt: Suchmaschinen verändern nicht, wen sie listen, sondern wie sie Informationen darstellen. Wer seine Strategie nicht anpasst, verliert schlicht die Bühne.
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Was (noch) funktioniert: lokale Sichtbarkeit & kommerzielle Queries
Bei all der Veränderung gibt es stabile Inseln. Vor allem lokale Suchergebnisse – beispielsweise für Ärzte, Restaurants oder Dienstleister – reagieren bislang kaum auf die KI-Umstellung.
Der Grund liegt nahe: Lokale Treffer basieren auf strukturierten Daten (Maps, Bewertungen, Geschäftsinfos), die Google selbst verwaltet. Solche Daten eignen sich nur bedingt für frei formulierte KI-Antworten.
Auch bei kommerziellen Suchanfragen („beste CRM-Software 2025“) halten sich organische Treffer relativ gut. Zwar mischt Google auch dort eigene KI-Elemente hinzu, doch sie verdrängen eher Ads oder Info-Boxen, weniger die echten Suchanzeigen.
Für Unternehmen heißt das:
Local SEO und gezielte Commerce-Optimierung bleiben wichtige Stellschrauben.
Solange Nutzende am Ende kaufen oder besuchen wollen, führt kein Weg an der Klickinteraktion vorbei.
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Warum KI-Suche (noch) keine echte Konkurrenz zu Google ist
Viele fragen sich, ob KI-Chatbots wie ChatGPT oder Gemini die klassische Suche ablösen könnten. Bisher jedoch nicht.
Wer in die Nutzungstrends schaut, merkt: Der „AI Mode“ von Google wird aktuell seltener verwendet als der fast vergessene „News“-Tab.
Das zeigt, dass KI-Antworten eher eine Ergänzung sind – ein anderer Weg, sich Informationen zu holen, aber kein Ersatz für Suchmaschinen.
Ich persönlich sehe in AI Search eher eine Chance: Sie zwingt uns, Inhalte besser zu strukturieren, Daten sauberer auszuzeichnen und Markenbotschaften klarer zu positionieren.
Klick-Optimierung reicht nicht mehr – aber Markenaufbau rückt wieder in den Fokus.
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Zwei Wege führen zur neuen Sichtbarkeit
Man kann den Wandel auf zwei Arten begegnen: Entweder kämpfst du weiter um Klicks, oder du arbeitest gezielt an deiner Sichtbarkeit innerhalb der KI-Antworten.
1. Optimieren auf Klicks
Wenn du Leads, Verkäufe oder Conversions misst, bleibst du beim klassischen SEO. Stärke Longtail-Content, gestalte Meta-Beschreibungen, die trotz AI Overviews Neugier wecken. Nutze strukturierte Daten, damit Google deine Antworten als besonders relevant einstuft.
2. Optimieren auf Impressionen
Wenn deine Marke bereits bekannt ist oder du Thought Leadership aufbauen willst, optimiere auf Mentions.
KI-Modelle lernen aus Assoziationen und Erwähnungen – nicht nur aus Backlinks.
Das heißt:
– Baue Markenpräsenz in vertrauenswürdigen Quellen auf
– Sorge für wiederkehrende Erwähnungen deines Namens oder Produktes
– Stärke das semantische Umfeld deiner Marke (Themen, Begriffe, Fachbegriffe)
Je stärker deine Marke im Datensatz der Modelle verankert ist, desto eher taucht sie in generierten Antworten auf – selbst wenn keine klassische Verlinkung vorhanden ist.
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„In-Model“ vs. „Outer-Model“-Antworten
Ein spannender technischer Unterschied, den viele übersehen:
Manche KI-Antworten stammen direkt aus dem Modell selbst („in-model“) – hier kann man kaum eingreifen.
Andere entstehen erst, wenn das Modell zusätzliche Google-Suchen auslöst („outer-model“).
Diese sind taktisch beeinflussbar.
Wer Struktur, Relevanz und Markensignale richtig setzt, wird bei diesen ergänzenden Recherchen sichtbar – das ist heute die greifbare Chance in der KI-Suche.
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Brand Mentions statt Backlinks
Ich weiß, das klingt fast ketzerisch, aber in einer von KI kuratierten Informationswelt zählt nicht mehr, wer auf dich verlinkt – sondern ob du erwähnt wirst.
Die generativen Modelle ziehen ihre Quellen aus riesigen Mengen an Texten. Ob diese Erwähnung klickbar ist oder nicht, spielt kaum noch eine Rolle.
Darum: Wenn du in der KI-Suche relevant bleiben willst, denke wie ein Markenstratege, nicht wie ein Backlinkjäger.
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Longtail ist König
Ein oft übersehener Fakt: KI-Suchen decken ein unfassbar breites Spektrum an Nischenthemen ab.
Das bedeutet, der Longtail – also die Vielzahl seltener Suchanfragen – wird zunehmend wichtiger.
Ein guter Hinweisgeber sind hier Daten aus „People Also Ask“-Boxen: Diese zeigen, welche Zusatzfragen Nutzer stellen. Viele dieser Fragen ähneln genau jenen, die in AI-Dialogen auftauchen.
Wer diesen Longtail-Content strukturiert und verständlich beantwortet, hat deutlich größere Chancen, vom Modell berücksichtigt zu werden.
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Der neue SEO-Maßstab: Wie Erfolg in der KI-Suche aussieht
Es ist Zeit, anders zu messen.
Traffic allein reicht nicht mehr. Sichtbarkeit wird zum Markenindikator, nicht nur zum Conversion-Faktor.
Ich rate vielen Kund:innen heute, Impressionen, Erwähnungen und markenbezogene Suchbegriffe stärker zu gewichten.
Neue KPI-Ansätze könnten sein:
– Wachstum der Impressionen in AI-Overviews
– Erwähnungen in generativen Antworten (Sentiment & Kontext)
– Entwicklung der „Post-KI-Anfragen“ – also Suchen, die durch AIOs ausgelöst werden
– Engagement von Nutzer:innen in multimodalen Umgebungen (Voice, Chat, Video)
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Vom Performance- zum Markenmarketing
Die vielleicht wichtigste Veränderung besteht darin, wie wir SEO verstehen.
Früher war SEO eine Disziplin, die messbare Conversions liefern sollte – Klick, Lead, Sale.
Heute wird sie zunehmend eine Marken-Disziplin: Sichtbarkeit heißt Vertrauen.
Wer an dieser Stelle den Fokus ändert, entdeckt neue Chancen:
– Kooperationen mit Publikationen statt reiner Linktausch
– Thought-Leadership-Beiträge auf Plattformen, die KI crawlt
– Einheitliche Markenbotschaften über alle Kanäle
Eine starke Marke wird nicht verdrängt – sie wird zitiert. Und das, ironischerweise, sogar von Maschinen.
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Überraschend konstant: Nutzerverhalten bleibt hybrid
Trotz des Booms von AI-Tools bleiben klassische Suchmuster erstaunlich stabil. Menschen springen nach wie vor zwischen KI-Antwort, organischem Treffer und Social Media hin und her.
Es ist keine lineare „Entmachtung“ des SEO, sondern eher eine Erweiterung der Customer Journey.
Und genau hier liegt das Potenzial:
Wer Konsistenz in Marke, Sprache und Struktur hat, wird auf allen Ebenen wiedererkannt – egal, ob ein Mensch oder ein Modell gerade sucht.
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Praktische Schritte, um sich jetzt aufzustellen
1. **Analysiere dein eigenes Suchverhalten in den Daten.**
Prüfe Impressionen und Klicks getrennt. Ein wachsendes Delta ist kein Alarmzeichen, sondern ein Lernsignal.
2. **Erkenne deine Kern-Query-Typen.**
Welche deiner Themen sind informational, welche transactional oder local?
AI Overviews beeinflussen jeden dieser Bereiche unterschiedlich.
3. **Fokussiere „Markenräume“.**
Sorge dafür, dass deine Marke in Foren, Ratings, Branchenportalen und Medien vorkommt – die Modelle lernen daraus.
4. **Optimiere für Longtail.**
Nutze semantisch verwandte Themen und Fragen. Oft reicht eine FAQ-Struktur, um überproportional an Reichweite zu gewinnen.
5. **Trainiere dein Content-Team um.**
Redakteure sollten verstehen, wie LLMs Inhalte gewichten. Texte müssen präziser, kontextfähiger und datengestützt sein.
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Was jetzt zählt
In der KI-getriebenen Suche ist nicht der lauteste, sondern der relevanteste die neue Autorität.
Sichtbarkeit bedeutet, dort zu erscheinen, wo das Modell Antworten formt – und das gelingt nur, wenn du konstant signifikante, vertrauenswürdige Informationen lieferst.
Ich glaube, SEO wird dadurch nicht ersetzt, sondern aufgewertet.
Es wird weniger zu einer technischen Disziplin und mehr zu einer strategischen Kunst: die Sprache der Maschinen verstehen, ohne die Menschen aus dem Blick zu verlieren.
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Fazit
KI hat die Spielregeln neu geschrieben – aber das Spiel läuft weiter.
Die Klickrate ist nicht mehr der einzige Maßstab, sondern ein Teil eines größeren Markenbildes.
Sichtbarkeit verschiebt sich von der Suchseite in das neuronale Gedächtnis der Modelle.
Und das ist eigentlich eine gute Nachricht:
Wenn du es schaffst, als Marke in diesem Gedächtnis verankert zu sein, wirst du sichtbar bleiben – auch in einer Zukunft, in der kein Mensch mehr eine URL anklickt, sondern einfach fragt:
„Wer macht das am besten?“
Und die KI antwortet – hoffentlich mit deinem Namen.