Unsere Branche steht gerade an einem Wendepunkt. Suchmaschinen verändern sich, und die Integration von KI bringt nicht nur neue Möglichkeiten, sondern auch neue Herausforderungen. Viele fragen sich: Wie wird man künftig sichtbar, wenn ein Large Language Model (LLM) Antworten direkt ausgibt, statt einfach Webseiten zu listen? Genau das stand im Mittelpunkt eines Gesprächs zwischen John Mueller und Danny Sullivan von Google – und ehrlich gesagt, einige ihrer Gedanken haben mich ziemlich nachdenklich gemacht.
Warum du dich jetzt neu ausrichten solltest
Das vielleicht Wichtigste zuerst: Wenn du mit deinen Inhalten dauerhaft bestehen willst, dann reicht es nicht mehr, das Offensichtliche zu wiederholen. Commodity Content – also Inhalte, die überall verfügbar sind, die keinerlei eigene Perspektive oder Fachkenntnis erkennen lassen – werden künftig so gut wie keine Sichtbarkeit haben. Das ist keine neue SEO‑Weisheit, aber sie bekommt in der Ära der KI eine völlig andere Dimension.
Suchsysteme – ob klassische oder KI‑gestützte – können banale Informationen perfekt wiedergeben: Definitionen, Zahlen, allgemeine Fakten. Das bedeutet, dass jeder Text, der bloß wiederholt, was ohnehin jeder weiß, überflüssig wird. Deine Stärke liegt dort, wo du etwas bietest, das ein Modell nicht reproduzieren kann: eigene Erfahrung, Haltung, Meinung, Emotion, kleine Details, die in keiner Datenbank stehen.
Was Google unter „Commodity Content“ versteht
In der Diskussion zeigte Danny ein prägnantes Beispiel: Jedes Jahr zu Superbowl‑Zeit produzieren viele Webseiten lange Artikel mit Überschriften wie „Wann beginnt der Superbowl 2026?“. Der Text führt zunächst über mehrere Absätze ein, erzählt Hintergründe, Anekdoten – und liefert am Ende die simpelste aller Informationen: die Startzeit. Früher konnte so etwas Klicks bringen, weil Suchmaschinen diese Seiten vorschlugen. Heute braucht niemand mehr zehn Zeilen Text, um „3:30 PM“ zu erfahren.
Genau diese Art von Texten wird durch KI‑Systeme ersetzt. Sie fassen solche trivialen Daten schneller und präziser zusammen. Der Mensch bleibt dort relevant, wo er Kontext liefert, Emotionen weckt, Dinge erlebbar macht – oder neue Zusammenhänge erkennt.
Was bedeutet das für dich konkret?
Ich sehe häufig Webseiten, die genau an diesem Punkt scheitern: Sie beantworten Fragen, die längst automatisiert beantwortet werden. Sie sind austauschbar. Nur wer lernt, etwas Eigenständiges einzubringen, hat auch im KI‑Zeitalter eine Zukunft. Das kann bedeuten:
- Zeig deine Perspektive. Schreib nicht bloß über ein Thema, sondern aus deiner Erfahrung heraus.
- Löse echte Probleme. Trivialwissen wird kaum gefragt. Aber konkrete Anleitungen, Fehleranalysen oder Praxisfälle sind Gold wert.
- Pflege deine Stimme. Wenn Leser das Gefühl haben, dich zu „hören“, entwickeln sie Vertrauen – und kommen zurück.
Warum Expertise und Authentizität den Unterschied machen
AI‑Systeme imitieren Wissen, aber sie besitzen keines. Ein Fachmann, der zehn Jahre an realen Projekten gearbeitet hat, kann Verbindungen ziehen, die kein Modell erkennt. Google betont dies immer wieder: Inhalte, die echte Expertise widerspiegeln, bleiben sichtbar.
Das hat zwei Seiten. Erstens lohnt es sich, die eigene Qualifikation nach außen sichtbar zu machen – Quellverweise, Autorenbeschreibung, Hinweise auf Projekte. Zweitens geht es auch um Ton und Authentizität. Menschen (und mittlerweile Algorithmen) erkennen, ob ein Text ehrlich ist oder bloß auf Wirkung aus ist. Aus meiner Erfahrung reagieren Leser sehr sensibel auf „künstliche“ Formulierungen. KI‑Suchsysteme übrigens auch.
Wie du Originalität erzeugst, ohne das Rad neu zu erfinden
Originalität heißt nicht, dass du etwas völlig Neues entdecken musst. Manchmal reicht es, bekannte Informationen neu zu kombinieren oder mit persönlichen Erfahrungen zu verknüpfen. Beispiel: Wenn du ein Rezept schreibst, musst du nicht die zehnte Variante von „Pancakes mit Blaubeeren“ anbieten. Erzähl lieber, wie du auf die Idee kamst, welche Fehler du gemacht hast und was du daraus gelernt hast. Genau das wird künftig gesucht – und gefunden.
Ich habe selbst bemerkt, dass kleine narrative Elemente, also Geschichten aus der Praxis, die Verweildauer stark erhöhen. Wenn du authentisch bist, bleibst du im Gedächtnis, egal ob der Nutzer durch KI‑Antworten oder klassische Treffer zu dir gelangt ist.
Von künstlicher zu menschlicher Intelligenz: Warum AI kein Feind ist
Viele fürchten, KI werde die organische Suche komplett verdrängen. Ich sehe das etwas anders: Sie verändert sie. Ja, Routine‑Inhalte verschwinden, aber zugleich eröffnen sich neue Chancen. Zum Beispiel suchen viele Menschen inzwischen Videos oder Podcasts, in denen echte Personen ihre Erfahrungen teilen. KI kann Inhalte zusammenfassen, aber sie kann keine Präsenz erzeugen. Wenn du also Kamera oder Mikrofon öffnest und ehrlich über Probleme sprichst, lieferst du etwas, das kein Modell ersetzen kann.
Genau das meinte Sullivan, als er dazu aufrief, nicht nur zu schreiben, sondern auch andere Formate zu erkunden. Vielleicht bist du kein perfekter Sprecher – macht nichts. Es geht um Echtheit, nicht um Hochglanz. Menschen wollen Gesichter sehen, Stimmen hören, Fehleinschätzungen erleben. Das erzeugt Bindung.
Eine kleine Realitätsschau
Ich weiß, dass viele Content‑Teams sich schwer tun, von Daten‑Tabellen zu persönlichen Einsichten zu wechseln. Wir sind es gewohnt, dass SEO heißt: strukturierte Inhalte, saubere Headline, Keyword‑Platzierung. Aber jetzt sind wir in einer Phase, in der Reputation wichtiger ist als Optimierung. Ein sauberer Text wird durch Sprachemodelle vielleicht genauso gut verstanden wie deiner, aber eine bekannte, vertrauenswürdige Stimme – die bleibt auffindbar.
Vielleicht hilft dir folgende Denkübung: Würdest du deinen Artikel auch dann schreiben, wenn ihn niemand bei Google sehen würde? Wenn die Antwort „nein“ lautet, fehlt vermutlich ein echter innerer Antrieb, und das spürt man. Wenn sie „ja“ lautet, bist du auf dem richtigen Weg.
Der Unterschied zwischen Information und Bedeutung
Information ist das, was man messen, berechnen oder kopieren kann. Bedeutung entsteht erst, wenn jemand sie einordnet. In diesem Sinne wird AI Search wahrscheinlich zu einer Art „Informationsgenerator“, während Menschen weiterhin die Aufgabe übernehmen, Bedeutung zu schaffen.
Das kann in Form von Meinungsartikeln, Erfahrungsberichten oder Kommentaren geschehen. Die Maschine liefert Daten – du erklärst, warum sie wichtig sind. Genau daraus entsteht Sichtbarkeit in einer Zeit, in der alles andere algorithmisch ersetzt werden kann.
Deine Stimme als Marke
Wenn man sich anschaut, welche Creator‑Formate sich in Suchergebnissen oder auf Social‑Plattformen durchsetzen, zeigt sich ein klares Muster: Persönliche Wiedererkennbarkeit gewinnt gegen anonyme Professionalität.
Das bedeutet nicht, dass du plötzlich dein Privatleben ausbreiten musst. Es geht darum, dass dein Stil, deine Haltung, dein Humor oder deine kritische Schärfe erkennbar bleiben. In einer Welt, in der KI‑Texte gleichförmig klingen, kann das menschliche „Unperfekte“ sogar sympathisch wirken.
Was Google‐Mitarbeiter heute wirklich empfehlen
Fasst man die Aussagen von Sullivan und Mueller zusammen, ergibt sich ein ziemlich klares Bild:
- Vergiss rein standardisierte SEO‑Texte. Keyword‑Fokus ohne Substanz bringt dich nicht mehr nach vorn.
- Vermeide Content‑Fließbandproduktion. Qualität schlägt Quantität – besonders, wenn KI ohnehin unendliche Mengen produziert.
- Konzentriere dich auf Originalität. Schreib über Erlebnisse, Experiment‑Ergebnisse, eigene Analysen oder Fallstudien.
- Denk crossmedial. Videos, Audioformate, Diskussionsbeiträge – alles, was deinen Blickwinkel transportiert, zählt.
- Bau Authentizität auf. Leser sollen wissen, wer du bist und wofür du stehst.
Wie du eine KI‑freundliche Content‑Strategie entwickelst
Ich habe in den letzten Monaten einige Tests gemacht, wie sich Inhalte auf Such‑ oder AI‑Antwortseiten verändern. Ein auffälliges Muster: Artikel, die konkrete Erfahrungen oder persönliche Zitate enthalten, werden häufiger als Quelle genannt, auch wenn sie nicht auf Platz 1 ranken. KI‑Systeme erkennen diese Original Signals – etwa Formulierungen wie „ich habe festgestellt“. Das kann ein wichtiger Rankingfaktor werden, sogar jenseits klassischer E‑E‑A‑T‑Kriterien.
Ein pragmatischer Fahrplan könnte so aussehen:
- Mach ein Audit deiner bestehenden Artikel: Wo lieferst du nur Fakten, wo Erlebnisse oder Einschätzungen?
- Überarbeite generische Passagen – füge Belege aus echten Projekten hinzu.
- Experimentiere mit Stimme und Format: Auch ein kurzes Video‑Statement kann die Textversion stärken.
- Vermeide Überoptimierung; nutze Tools, aber verlier nicht deine eigene Handschrift.
- Denk an langfristige Wiedererkennung – lese deine Texte laut, spür, ob sie „nach dir“ klingen.
Wenn alles automatisiert wird, gewinnt das Menschliche
Das Spannende an dieser Entwicklung ist, dass sie uns paradoxerweise wieder zu etwas sehr Ursprünglichem führt: zu echten Gesprächen, Meinungsaustausch und Geschichten. Menschen wollen Menschen erleben, nicht nur Ergebnisse.
Dass selbst Google diesen Kurs betont, ist kein Zufall. Der Konzern weiß, dass Nutzer nicht in einem informationsleeren Strom enden möchten. Sie suchen glaubwürdige Stimmen. Also fördert das System genau jene Inhalte, die von echten Individuen stammen und erkennbar für etwas stehen.
Ein persönlicher Gedanke zum Abschluss
Ich erinnere mich noch an die Zeit, als SEO bedeutete, Meta‑Tags zu füllen und Backlinks zu tauschen. Heute empfinde ich den Beruf spannender denn je, weil er kreativer geworden ist. Wir dürfen uns wieder fragen: Was will ich erzählen? Was kann nur ich erklären?
Die Antwort auf diese Fragen ist das, was dich in der KI‑Ära sichtbar macht. Kein Trick, kein Prompt, kein Shortcut ersetzt Persönlichkeit, Fachwissen und Leidenschaft. Und vielleicht ist genau das die beste Nachricht von allen.